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Meinung: … Ägypten

Der Fall Günter Grass hat nun auch die arabische Welt erreicht. Hier herrscht allerdings völliges Unverständnis über die Wucht der deutschen Debatte.

Der Fall Günter Grass hat nun auch die arabische Welt erreicht. Hier herrscht allerdings völliges Unverständnis über die Wucht der deutschen Debatte. Man sieht das ganze eher durch die nahöstliche Brille. Dies zeigt ein Aufruf von 46 arabischen Künstlern, Schriftstellern und Intellektuellen, die sich mit Grass solidarisch erklären. Sie können nicht verstehen, wie man „einen pubertierenden Jugendlichen“ dafür verantwortlich machen kann, dem Einfluss der „höllischen nationalsozialistischen Propaganda“ auf den Leim gegangen zu sein. Das mag daran liegen, dass in der arabischen Welt fast alle Intellektuellen irgendeiner Ideologie angehörten oder dies noch tun: Kommunismus, Pan-Arabismus, Nasserismus waren nicht so mörderisch wie der Nationalsozialismus, aber viele Intellektuelle ließen sich davon verblenden, ohne dass sie sich dafür schämen oder rechtfertigen. Unter denen, die Grass „Respekt“ zollen für sein Bekenntnis, sind der ägyptische Romanautor und Feuilletonchef Gamal al Ghitani, der Direktor des Hohen Rates für Kultur in Ägypten, Dschabir Asfur, oder der marokkanische Dichter Mohamed Bennis. Große Namen wie Adonis oder Mahmud Darwisch fehlen dagegen.

Außerdem spielt eine Rolle, dass die Naziverbrechen in der arabischen Welt als weniger einmalig angesehen werden als im Westen, der Umgang damit ist unbefangener, manchmal gar verharmlosend. Vor allem zeigt sich, dass arabische Intellektuelle die Geschichte nicht von der Gegenwart trennen können und wollen: Der Nahostkonflikt überlagert alles. Und so sehen die Unterzeichner die deutsche Debatte um Moral als eine Art politische Verschwörung. Sie solle von den „Verbrechen der Israeli, die in Palästina und Libanon begangen werden“, ablenken. Ein Lehrstück darüber, welche Art von Verleumdung, Intrige und Verschwörung arabische Intellektuelle von Seiten ihrer Staaten und Gegner gewöhnt sind. Dabei hat Grass seine Position zu Israel gegenüber arabischen Gesprächspartnern immer sehr klar gemacht. So erntete er 2002 in Sanaa Unverständnis, als er erklärte, dass man gleichzeitig ein Freund Israels und der Araber sein könne. Aufgrund der Gräueltaten der Nazis sei Deutschland einer der „Baumeister“ Israels und dem Land daher verbunden. Das halte ihn jedoch nicht davon ab, die „schreckliche“ Politik des jüdischen Staates zu kritisieren. Jüdische Verschwörungstheorien verbat sich Grass mit dem Hinweis, dass diese eine der Grundlagen für den Nationalsozialismus waren. Doch der gut gemeinte Kulturdialog bringt anscheinend nicht immer die gewünschten Ergebnisse.

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