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1. Mai: Tag der Arbeit, Tag des Staates

Der 1. Mai als großer Appell: Die Krise darf nicht zulasten der sozial Schwachen gehen.

Aus Nürnberg darf man in diesen Zeiten keine guten Nachrichten erwarten. Es ist doch Krise. Aber die Statistik der Bundesagentur für Arbeit transportiert stattdessen Monat für Monat eine sensationelle Botschaft: Das deutsche Beschäftigungswunder nimmt gar kein Ende. Die schlimmste Krise seit den 30er Jahren geht am Arbeitsmarkt vorbei. Wie geht das?

Weil der Sozialstaat funktioniert. Arbeitgeber, Gewerkschaften und Politik haben sich in bester westdeutscher Nachkriegstradition gegen die Krise verbündet. Vor allem mit dem massiven Einsatz der Kurzarbeit; das kostet alle Beteiligten viele Milliarden, die aber gut investiert sind. Die Tarifparteien haben sich auf ungewöhnliche Abschlüsse verständigt, Geld spielte kaum eine Rolle, dominierend war Beschäftigungssicherung. Und schließlich ist der Staat mit Konjunkturprogrammen an der Stabilisierung der Volkswirtschaft maßgeblich beteiligt. Gut so. Aber für wie viele Krisen reicht das Geld der öffentlichen Hand?

Wenn am 1. Mai Berthold Huber, Frank Bsirske und Michael Sommer ihren großen Auftritte auf den Marktplätzen haben, dann geht es um gute Arbeit, gerechte Löhne und einen starken Sozialstaat. Griechenlands Elend wird in den Manuskripten der Gewerkschafter nicht fehlen. Dazu die Relevanz der Banken und Ratingagenturen, die Dominanz einer globalen Finanzszene, deren Treiben kaum jemand überblickt, deren Folgen aber alle ausbaden müssen.

Wenn Währungen und Staaten kaputt spekuliert werden und anschließend die öffentlichen Haushalte brutal schrumpfen, dann betrifft das diejenigen am stärksten, die den Staat brauchen – für Bildung, Gesundheit, Arbeit und Unterhalt. Darauf weisen die Gewerkschafter hin. Und sie werden wieder fragen: Wo bleibt der Beitrag der Banken zur Bewältigung der Krisenfolgen? Wie bekommt man das Monster des spekulativen Finanzkapitalismus an die Kette?

Dieselbe Frage stellt sich auch Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin hat sich längst von den Marktillusionen des Leipziger Parteitags 2003 verabschiedet; auch wegen der Finanzkrise, die die Spielräume der deutschen Politik über Jahre bestimmt. Das wissen die Gewerkschaften, und sie sorgen sich „um die Errungenschaften der Arbeitnehmerschaft in ganz Europa“. Und deshalb wird der 1. Mai 2010 ein großer Appell an die Politik: Die anstehenden Kürzungen sollen nicht zulasten der Arbeitnehmer und der sozial Schwachen gehen.

Realistisch ist das nicht angesichts der Finanznot. Aber die Politik muss eine Grundsatzentscheidung treffen, die für die nächsten zehn Jahre trägt und die das deutsche Konsensmodell fortführt oder nicht: Starker oder schwacher Staat, das ist hier die Frage. Bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise, beim Aufarbeiten der Bildungsmisere und mit Blick auf den demografischen Wandel und schließlich auch wegen des Zusammenhalts der Europäischen Währungsunion: Deutschland braucht einen starken Staat. Andernfalls hätten wir schon heute eine Million Arbeitslose mehr.

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