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Eine Mitarbeiterin des Wachsfigurenkabinetts Tussauds legt letzte Hand an eine Kennedy-Figur, die zum Jahrestag seiner Rede zum Fototermin vor das Schöneberger Rathaus gebracht wurde.

© dpa

50 Jahre Kennedy-Rede in Berlin: Was Politiker heute nicht mehr können

John F. Kennedy war vielleicht nicht der wichtigste Präsident, den die USA jemals hatten. Doch er veränderte das politische Spiel nachhaltig. Seine Rede in Berlin war von einer Kompromisslosigkeit, die heutige Politiker kaum mehr beherrschen.

Immer wieder erscheinen Kennedy- Biografien. Die jüngste, kurz und lesenswert, stammt von dem deutschen Journalisten Alan Posener. John F. Kennedy wird überschätzt: Mit diesem Satz lässt sich Poseners Urteil wohl zusammenfassen. Der, abgesehen von der erfolgreich bewältigten Kubakrise, politisch mäßig erfolgreiche Präsident sei zum Mythos geworden, weil er jung und gut aussehend war, weil er sich klug inszenierte und weil er vor den Augen der ganzen Welt ermordet wurde.

Der amerikanische Präsident und liberale Antikommunist Kennedy hat zu Lebzeiten die Welt nicht sehr verändert, das stimmt. Politik wurde allerdings nach Kennedy anders wahrgenommen und gemacht. Von nun an wusste man, dass es wichtig ist, wie jemand spricht, wie jemand aussieht, wie jemand im Fernsehen wirkt. Wenn ein Kandidat sich vor einer entscheidenden Debatte nicht sorgfältig stylt und deswegen wie ein Filmschurke wirkt – ein Fehler, der Kennedys Rivalen Richard Nixon unterlaufen ist –, kann diese Kleinigkeit eine Wahl entscheiden.

Politik war ein bisschen zur Show geworden, könnte man sagen. Aber man kann auch sagen, dass in dem neuen Zeitalter der Fernseh- und Mediendemokratie das Volk ein bisschen mächtiger geworden ist. Das Volk schaut den Regierenden in die Augen und sucht dort nach der Wahrheit. Lügt er? Kann man ihm vertrauen? Seit Kennedy müssen Spitzenpolitiker auch gute Darsteller sein, wobei das Rollenangebot relativ breit ist, nicht nur der junge Held ist möglich, auch der gemütliche Papa, die verlässliche Mutter, der amüsante Paradiesvogel, die energische Erzieherin.

Zu Beginn des Fernsehzeitalters war es einfacher als heute, eine Inszenierung glaubwürdig erscheinen zu lassen. Den Politikern fiel es leichter, ihr öffentliches Bild zu kontrollieren und ihre dunklen Stellen zu retuschieren. Kennedy war ein gesundheitliches Wrack und oft nur mit Hilfe hoher Medikamentendosen arbeitsfähig. Und diese unendlich vielen Sexgeschichten, hinter der Kulisse einer angeblichen Bilderbuchehe! Beides ließe sich heute kaum noch verbergen. Könnte jemand wie Kennedy heute amerikanischer Präsident werden? Vermutlich nicht.

Kennedys Berliner Rede, mit dem Schlüsselsatz „Ich bin ein Berliner“, gilt als Meisterwerk politischer Rhetorik (zum Wortlaut der Rede). „Ich bin ein Berliner“ – das ist kurz, konkret und klar. Gleichzeitig war der Satz raffiniert, wie ein Schachzug, mit dem eine eigene Figur geschützt und die Schlüsselfigur des Gegners angegriffen wird. Die West-Berliner waren spätestens seit der Luftbrücke mehrheitlich die feurigsten Proamerikaner der Welt, abgesehen vielleicht von den Texanern. Trotzdem zweifelten manche an den amerikanischen Garantien, seit dem Mauerbau, der fast zwei Jahre zurücklag. War der Preis vielleicht doch zu hoch, den die Insel West-Berlin den Westen kostete, inmitten des sowjetischen Herrschaftsgebiets?

Mit einem Satz wischte Kennedy alle Zweifel der West-Berliner weg, mit einem Satz machte er alle Hoffnungen der Sowjetunion und der DDR auf einen Deal mit den USA zunichte. Kennedy legte sich fest, mit einem Satz, der kein Zurück zuließ. Politiker, auch heutige, vermeiden gern so ein Risiko. Und heute wissen wir, dass es dieser Kurs war – kompromisslos und fest, wenn es um die Verteidigung der Freiheit ging –, der am Ende zur deutschen Wiedervereinigung und zur Demokratisierung großer Teile Europas geführt hat. Kennedy war ein Popstar, ein kranker Mann mit persönlichen Schwächen, und trotzdem ein großer Präsident.

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