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Anhalter Bahnhof: Peymann und der Papst

Peymann schlägt sich, Peymann verträgt sich. Mit Rolf Hochhuth zum Beispiel: Man erinnert sich an den vergnüglichen Zank und Schwank, den die beiden Granden des politischen Theaters über die Nutzung des Berliner Ensembles ausgefochten haben, bis vors Gericht.

Peymann schlägt sich, Peymann verträgt sich. Mit Rolf Hochhuth zum Beispiel: Man erinnert sich an den vergnüglichen Zank und Schwank, den die beiden Granden des politischen Theaters über die Nutzung des Berliner Ensembles ausgefochten haben, bis vors Gericht. Ob Politiker, Kritiker, Jungdramatiker oder Intendantenkollegen: Der Volldampfplauderer Peymann redet alle in Grund und Boden. Das Problem ist nur, dass keiner ihm mehr richtig zuhört.

Nun zeigt er sich von einer ganz anderen Seite. Claus Peymann hat Papst Benedikt XVI. aus gegebenem Anlass einen offenen Brief geschrieben. Die am Mittwoch verbreitete diplomatische Note vom Schiffbauerdamm an die Adresse Apostolischer Palast, 00120 Vatikanstadt, hebt an mit „Eure Heiligkeit! Ihr Staatsbesuch in Berlin hat eine große pastorale Bedeutung und gewiss auch eine historische Dimension, besuchen Sie doch eine Hauptstadt, von der im vorigen Jahrhundert politische Verheerungen ausgingen, die einen ganzen Kontinent mit Leid, Zerstörung und Verbrechen überzogen.“ Der Theaterdirektor erinnert den deutschen Papst an das „ungeheuerliche Unrecht gegen die Juden, deren Vernichtung von Berlin aus geplant und vollzogen wurde. Dieses Unrecht ist nie und nimmer zu entschuldigen.“

Doch Peymann wäre nicht Peymann, wenn er nicht sogleich auf das Theater zu sprechen käme – sein Theater. Denn wie es die Vorsehung will, spielt das BE am Tag des Papstbesuchs „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth, jenes Stück über die Nazi-Zeit, das, wie Peymann schreibt, die Frage aufwirft, „warum Pius XII. angesichts der offenkundigen und zum Himmel schreienden Verbrechen gegen die Menschlichkeit im deutschen Namen öffentlich geschwiegen hat“.

Peymann macht ein vergiftetes moralisches Angebot. Es sei zwar „vermessen und naiv zu hoffen“, der Papst würde „spontan ein Theater besuchen und sei es das Berliner Ensemble“. Der Papst möge aber bitte die Tatsache, dass das BE am 22. September den „Stellvertreter“ auf dem Spielplan hat, als „Zeichen nehmen, dass auch ein Theater Anteil nehmen kann an Ihrem Besuch in der Stadt. Mit respektvollen Grüßen, Claus Peymann“.

So doppelzüngig devot kennt man ihn sonst nicht. Drei Mal ruft er „Eure Heiligkeit!“ an, was schon Thomas- Bernhard’sche Ironiequalität hat. Da muss also erst der Papst kommen, dass Peymann die Attacke zwischen den Zeilen versteckt, den historischen Vorwurf und den leisen Neid unter Menschenfischern. Es ist klar, wer hier die größere Messe zelebriert. Rüdiger Schaper

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