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Malte Lehming

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Friede den Palästen!

Malte Lehming über das Banken-Enteignungsgesetz

Auch dieser Damm ist nun gebrochen. Erstmals in der Nachkriegsgeschichte können Banken in Deutschland verstaatlicht und ihre Eigentümer enteignet werden. Ein entsprechendes Gesetz hat das Bundeskabinett verabschiedet. Ein solcher Tabubruch geht natürlich nicht ohne öffentlich inszenierte Bauchschmerzen der Beteiligten ab. Sie ringen ihre Hände über sich selbst und beteuern, dass das Gesetz befristet sei und viele Einschränkungen enthalte. Eine historisch einmalige Ausnahme, weil die Unterlassungsfolgen gravierender gewesen wären, als es die Tatfolgen sind. Mit anderen Worten: Die große Koalition, die einen Großteil der deutschen bürgerlichen Mitte repräsentiert, beschließt zähneknirschend eine Art Notstandsgesetz (für die Union sei es "ein riesengroßes Problem, in Eigentumsrechte einzugreifen", gesteht anschließend völlig folgenlos deren stellvertretender Fraktionschef Michael Meister).

So wurschtelt sich die Politik in die Prinzipienlosigkeit. Was leitet ihren Aktionismus? Die Sorge um das System? Es würden nur Banken gerettet, die systemrelevant seien, heißt es. Doch definiert wird dieser Begriff nie. War Lehman Brothers systemrelevant? Offenbar nicht, denn trotz der Pleite der US-Bank funktioniert das globale Finanz- uns Wirtschaftssystem immer noch recht leidlich. Nein, wirklich durchschaubar, von parlamentarischer Kontrolle ganz zu schweigen, sind die Entscheidungen für kaum jemanden. Die Hypo Real Estate (HRE) wird vom Staat gerettet, vielleicht demnächst auch Opel mit seinen 26.000 Arbeitsplätzen, aber was ist mit Daimler, Schaeffler, der Zuliefererindustrie, den Maschinenbauern? Sicher ist nur: Einzelne müssen, aber nicht alle können gerettet werden. Folglich herrschen Willkür, Zufall und die Ausrede, der jeweils konkrete Fall sei alternativlos.

Die Konsequenz derartiger Prinzipienlosigkeit ist ein kollektiv verletztes Gerechtigkeitsgefühl. Die Milliarden Euro, die jetzt in jene Banken gesteckt werden, deren Zocker die Krise verursacht haben, werden irgendwann fehlen, um redliche Fließbandarbeiter vor dem Absturz in die Arbeitslosigkeit zu bewahren. Die Täter bleiben ungeschoren, ihre Opfer werden skalpiert. Aus dem Gemeinsinn, ohne den keine Gesellschaft heil durch Krisen kommt, wird ein Krieg aller gegen alle. Zu den Brutalitäten dieser Krise gehört ja außerdem, dass das viele Geld, das plötzlich zur Rettung von Banken und Unternehmen aufgebracht wird, nicht auf mehr vorhandenes Geld an sich schließen lässt, sondern woanders eingespart werden muss. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu wissen: Gerade weil die HRE mit Steuergeldern gerettet wird, wird sich am Hartz-IV-Regelsatz so schnell nichts ändern. Wer bei knappen Kassen prasst, um angeblich das System zu retten, gleichzeitig aber die Verfassung ändern möchte, um Neuverschuldungsverbote erlassen zu können, gibt die Richtung der Politik eindeutig vor.

Die Verstaatlichung einer Bank ist kein Sündenfall. Deswegen droht Deutschland keine DDR-light mit Zentralwirtschaft, Mauer und Schießbefehl. Das Problem ist bloß, dass die bundesdeutsche Gesellschaft auf Politiker ohne Kompass, die ihre Wohltaten nach tagesaktuell empfundenen Zwangsgründen verteilen, nicht vorbereitet ist. Zwar ist seit Beginn der Krise nichts mehr unmöglich, aber daraus folgt nicht, dass alles möglich geworden ist: Diese bittere Erkenntnis werden bald mehr und mehr Menschen teilen, mit der geballten Faust in der Tasche.

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