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Meinung: Aufregung von gestern

Warum der Verkauf der zweitgrößten deutschen Bank nach Italien kaum Wellen schlägt

Die erste deutsche Großbank wird ins Ausland verkauft. Wenn nicht in allerletzter Minute etwas dazwischen kommt, übernimmt die italienische Unicredito für gut 15 Milliarden Euro die Bayerische Hypo-Vereinsbank. Die Italiener – größer, wertvoller und erfolgreicher als die Deutschen – werden im neuen europäischen Geldhaus den Ton angeben. Die bis gestern zweitgrößte deutsche Bank ist künftig der kleine Partner einer der Top-10-Banken in Europa.

Hat jetzt begonnen, was die Untergangspropheten immer als Ausverkauf des Finanzplatzes Deutschland beschworen haben? Die Unruhe in den Frankfurter Bankentürmen, wird nach dem Milliarden-Deal jedenfalls zunehmen. Den Fusionsfantasien sind nun keine Grenzen mehr gesetzt.

Umso bemerkenswerter ist die Geräuschlosigkeit, mit der Unicredito und HVB in den vergangenen Monaten ihr Zusammengehen verhandeln konnten. Vor einem Jahr hätte schon die vage Absicht, eine deutsche Großbank in ausländische Hände zu geben, zu einem Sturm öffentlicher Erregung geführt. Damals malten der Kanzler und andere selbst ernannte Bankexperten ein Horrorbild: Deutschland brauche einen „nationalen Champion“, wenn der Bankenmarkt international nicht in der Bedeutungslosigkeit versinken wolle. Schröder diente deshalb der Deutschen Bank eilig die Postbank an. Doch die Zwangsehe kam nicht zustande. Neue Annäherungsversuche hat es seitdem nicht gegeben – bis jetzt. Die HVB verliert nicht nur ihre Selbstständigkeit, sondern sie wechselt auch ihre Nationalität, ohne dass ein Politiker in Berlin oder München ein Wort des Protestes dazu gesagt hätte.

Kommt hier neue Gelassenheit zum Ausdruck? Sind alle nur abgelenkt von den politischen Machtverschiebungen, die sich in Deutschland demnächst ergeben könnten? Das pragmatische Argument lautet: Es hätte viel schlimmer kommen können.

Hätten sich etwa HVB und Commerzbank vereinigt, wären viele tausend Banker in Deutschland arbeitslos geworden. Unicredito und HVB hingegen werden vor allem in Osteuropa Stellen abbauen müssen. Vielleicht ist man in der bayerischen Staatskanzlei und im Kanzleramt aber auch einfach nur froh, dass die HVB überhaupt einen Käufer gefunden hat. Schließlich geht hier keine Ertragsperle über den Ladentisch. Auch nach der dramatischen Sanierung der Bank stehen in ihrem Kreditbuch mehr als 100 Milliarden Euro an vorwiegend deutschen Immobilienkrediten. Sie könnten zu einer schweren Hypothek für Unicredito werden, wenn sich der deutsche Markt nicht erholt und neue Wertberichtigungen nötig werden.

Unicredito-Chef Alessandro Profumo schätzt dieses Risiko offenbar geringer ein als die Chancen, die beide Banken in Süd- und Osteuropa haben. Dort sieht er so viel Wachstumspotenzial, dass er sich sogar für eine fünfjährige Bestandsgarantie für das Deutschlandgeschäft der HVB gewinnen ließ.

Profumos Optimismus ist bemerkenswert. Auch er dürfte wissen, dass etwa die Hälfte aller Fusionen scheitert. Studien belegen, dass Firmenzusammenschlüsse häufig misslingen, weil sich die Verantwortlichen zu sehr auf Marktchancen konzentrieren – und die Risiken unterschätzen. Gelingt es Unicredito und HVB nicht, das Gegenteil zu beweisen, dürfte ihnen bald auch die Aufmerksamkeit deutscher Politiker wieder sicher sein.

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