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Meinung: Aus den Augen, aus dem Gewinn

Die deutschen Konzerne irritieren den Bundespräsidenten: Sie vernachlässigen Japan, die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt

Die Beziehung ist ziemlich einseitig geworden. Der Partner lässt sich selten blicken – selbst wo jetzt ein großes Fest vorbereitet wird, ziert er sich, ob er überhaupt kommen soll und was das Mitbringsel kosten darf. Dabei hat Deutschland Japan einmal bewundert, seine Dynamik und Wirtschaftskraft galt als Vorbild. Man interessierte sich füreinander, was beiden nutzte. Der Handel zwischen der zweitgrößten Wirtschaftsmacht, Japan, und der drittgrößten, Deutschland, sichert hier wie dort Arbeitsplätze.

Für heute Abend hat der Bundespräsident Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft eingeladen, um an die guten Zeiten anzuknüpfen. 2005/2006 soll zum Deutschlandjahr in Japan werden. Umfassend will sich die Bundesrepublik präsentieren: Kultur, Wissenschaft, Forschung, Bildung, Sport, junge Künstler, Pop, Jugendaustausch. Das kostet ein bisschen, aber Frankreich und Italien haben ihr Image in Japan auf ähnliche Weise aufpoliert. Nur: Die deutsche Wirtschaft zieht nicht mit. Das Treffen beim Bundespräsidenten war schon einmal geplant, musste aber abgesagt werden, weil die Manager, die sich doch als global player sehen, wenig Interesse an der Präsentation bei der ökonomischen Weltmacht zeigten. Ohne ihre Unterstützung – und ohne ihr Sponsoring – ist das Projekt „Deutschland in Japan 2005/2006“ nicht zu stemmen, da kann sich die Bundesregierung noch so reinhängen und Japan einen Gutteil der Aufenthaltskosten der Kulturbotschafter übernehmen.

Natürlich, Wirtschaft muss sich rechnen. Japan kämpft seit Jahren mit einer schweren Wirtschaftskrise, das schlägt sich auch im bilateralen Handel nieder: Von 2001 auf 2002 sanken die deutschen Exporte um sieben Prozent (auf 12,2 Milliarden Euro) und die Importe von dort um 17 Prozent (auf 19 Milliarden Euro). Ist die Zurückhaltung der deutschen Bosse nicht gerechtfertigt? Zumal der Trend bei der anderen Großmacht in Asien gerade umgekehrt ist. Der Handel mit China boomt. 2001 legten die deutschen Ausfuhren um 27,5 Prozent zu, 2002 um 20 Prozent (auf 14,5 Milliarden Euro).

Nur: Was ist, wenn der Rückgang des Japanhandels nicht nur Folge der Krise, sondern auch des deutschen Desinteresses war? Über die gesunkene Zahl deutscher Besucher klagen jedenfalls japanische Partner. Die deutschen Firmen agieren, als müsse man nur um neue Kunden (China) werben, weil das Geschäft mit den alten (Japan) garantiert sei. Um im Bild des Sprichworts vom Spatz in der Hand zu bleiben, der allemal mehr wert ist als die Taube auf dem Dach: Der Chinahandel ist kein Spatz mehr, sondern zu einer attraktiven Taube herangewachsen; aber die angenommene künftige Wachstumsdynamik, die die deutschen Exporteure fasziniert, bleibt ein Größe „auf dem Dach“. Und der Japanhandel ist deshalb noch lange nicht zum Spatz geschrumpft, sondern immer noch eine wertvolle Taube in der Hand.

Es geht nicht darum, China und Japan gegeneinander auszuspielen. Die deutsche Wirtschaft braucht beide Märkte dringend, zumal sie dort je unterschiedliche Produkte absetzen kann. BMW’s und teure Medizintechnik können sich eine ganze Anzahl gut verdienender Japaner leisten, aber nur sehr wenige Chinesen. Gerade jetzt könnte sich mehr Präsenz in Japan wieder lohnen. Das Land hat in vielen Krisenbereichen die Strukturen reformiert – unter anderem die Bankenkrise bewältigt, die China möglicherweise noch bevorsteht –; die Konjunktur zieht an. Auch Tokios Gewicht in der Weltpolitik wächst; das reiche G-8-Land macht bei der Nachkriegsbetreuung in Kosovo und Afghanistan mit und schickt Soldaten in den Irak.

Anders als die Bundesrepublik hat Japan Deutschland in den Krisenjahren weder aus dem Blick noch aus dem Herzen verloren. Wenn die deutsche Wirtschaft vielleicht doch mal wieder vorbeischauen wollte, würde sie wie ein alter Freund empfangen.

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