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Meinung: Ausnahmezustand: Zentral verriegelt

Es ist eine kleine Geste, die eine große Bedeutung hat. Für viele Amerikaner ist es ganz normal, dass sie im Auto von innen die Türen verschließen, wenn sie durch ein Viertel fahren, in dem mehrheitlich Schwarze wohnen.

Es ist eine kleine Geste, die eine große Bedeutung hat. Für viele Amerikaner ist es ganz normal, dass sie im Auto von innen die Türen verschließen, wenn sie durch ein Viertel fahren, in dem mehrheitlich Schwarze wohnen. Es ist eine Vorsichtsmaßnahme, die keinen bedroht. Aber wer einmal einen Schwarzen im Auto hatte, als er reflexhaft auf den Türverriegelungsknopf drückte, denkt vielleicht anders darüber. Zum einen lässt sich nicht von der Hand weisen, dass bestimmte Verbrechen eher in "schwarzen" als in "weißen" Gegenden verübt werden. Zum anderen jedoch will man aus diesem Wissen nicht den Schluss ziehen, dass Schwarze generell zu bestimmten Straftaten neigen. Ziemlich vertrackt ist das.

In Cincinnati, einer Stadt mit 331 000 Einwohnern, davon 43 Prozent Schwarze, wurden in den vergangenen sechs Jahren 15 Schwarze von der Polizei erschossen. Seit November sind es bereits vier. Das letzte Opfer war der 19-jährige Timothy Thomas. Er war wegen kleinerer Vergehen vorbestraft, aber unbewaffnet.

Die gut tausend Polizisten von Cincinnati sind überwiegend Weiße. Schon im vergangenen Monat hatten prominente Bürgerrechtsorganisationen eine Klage gegen die Stadt eingereicht und die Polizei beschuldigt, systematisch die Rechte der schwarzen Bewohner zu verletzen. Unbegründete Festnahmen und der exzessive Gebrauch von Gewalt seien an der Tagesordnung. Der Fall Thomas hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Unruhen gerieten außer Kontrolle, eine nächtliche Ausgangssperre wurde verhängt, in der Nacht gleicht Cincinnati jetzt einer Geisterstadt.

Dass der Funke auf andere Städte überspringt, ist unwahrscheinlich. Das Problem bleibt lokal begrenzt, obwohl die Ursachen durchaus typisch sind. Vor wenigen Wochen hat das US-Justizministerium neue Zahlen veröffentlicht. Demnach saßen im Juni 2000 genau 1 931 859 Menschen in Amerika im Gefängnis - eine Rekordzahl und eine Steigerung um drei Prozent. Schwarze Männer zwischen 20 und 34 Jahren waren besonders hart betroffen: Zwölf Prozent von ihnen waren im Jahr 2000 inhaftiert. Das ist etwa einer von acht. Insgesamt gesehen fällt in den USA die Verbrechensrate, die Zahl der Verbrecher jedoch steigt. Selbst für Bagatelldelikte wandern die Menschen in den Knast.

Die Polizei von Cincinnati hat wahrscheinlich ein Problem mit Schwarzen. Das gehört untersucht und - falls möglich - abgeschafft. Doch man täusche sich nicht: Der latente Rassismus in den USA ist weitaus verbreiteter. Er fängt mit kleinen, verständlichen Gesten an, die eigentlich nur reine Vorsichtsmaßnahmen sind.

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