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Bahnstreik: Das Recht der Stärkeren

Die Lokführer machen nur nach, was Piloten und Ärzte bereits vorexerziert haben. Und am Ende gewinnt immer die stärkste Gruppe im Betrieb.

Streiks bei der Deutschen Bahn sind nicht mehr abzuwenden. Selbst chronische Optimisten werden aus den gegenseitigen Drohungen der Lokführergewerkschaft GDL und des Konzernchefs Hartmut Mehdorn keine Hinweise auf einen Kompromiss herauslesen können. Denn es geht letztlich nicht um Lohnprozente für einige Tausend Bahnbeschäftigte, sondern um eine Grundsatzfrage: Dürfen sich kleine Gruppen in einem Konzern zusammenschließen, um für sich, auch auf Kosten der übrigen Belegschaft, mehr Geld zu erstreiken? Wie sehr zählt noch das Prinzip der Solidarität in einem Betrieb – oder wie es die Arbeitsgerichte nennen: das Prinzip der Tarifeinheit?

In Deutschland gibt es nur wenige Arbeitnehmer, die schon einmal eine Lohnerhöhung von 31 Prozent erhalten haben. Wieso sollten 20 000 Mitarbeiter bei der Bahn einen solchen Aufschlag erhalten, während sich mehr als 100 000 mit 4,5 Prozent zufrieden geben müssen, weil sie dummerweise bei der falschen Gewerkschaft sind? Deutschland hat jahrelang davon profitiert, dass es solche Konflikte nicht gegeben hat. Sie würden nur die Atomisierung der Tarifverhandlungen und mehr Streiks bedeuten. Und am Schluss würde immer nur die stärkste Gruppe der Beschäftigten in einem Betrieb gewinnen.

Deshalb ist es gut, dass die Bahn der GDL Paroli bietet. Sie handelt indirekt im Interesse der Masse der abhängig Beschäftigten in Deutschland. Nur: Der Konzern kämpft auf verlorenem Posten. Denn die Lokführer machen nur etwas nach, was die Piloten und die Krankenhausärzte bereit vorexerziert haben. Sie sitzen an für den Betrieb zentralen Stellen, sie haben Drohpotenzial und machen davon Gebrauch. Viele Verfassungsexperten geben ihnen Recht. Die Koalitionsfreiheit steht im Grundgesetz, die Tarifeinheit nirgends. Das Problem ist, dass dieser Gegensatz noch nie höchstrichterlich geklärt wurde.

Die Bahn hat es seit Monaten versucht, wenigstens auf Arbeitsgerichtsebene eine Grundsatzentscheidung herbeizuführen. Doch die Mainzer Richter haben das Verfahren erst auf die lange Bank geschoben – und gerade erst an ihre Frankfurter Kollegen weitergereicht. Bis nach Karlsruhe ist es noch ein weiter Weg. Ausbaden müssen die Zögerlichkeit nun die Bahnkunden.

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