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Meinung: „Bei uns wird bis in die Nacht gearbeitet“

Es ist Sommer, ein heißer August im Jahr 2002. Gerade hat sich Gerhard Schröder, der deutsche Kanzler, in der Irakpolitik massiv gegen die US-Regierung positioniert.

Es ist Sommer, ein heißer August im Jahr 2002. Gerade hat sich Gerhard Schröder, der deutsche Kanzler, in der Irakpolitik massiv gegen die US-Regierung positioniert. Die Emotionen kochen hoch. Amerikas konservative Elite tobt. Einer davon ist Bill O’Reilly, der auf Fox News eine populäre Sendung moderiert.

An diesem Abend tritt Wolfgang Ischinger, der deutsche Botschafter in den USA, bei O’Reilly auf. Das Interview beginnt so: „Wir haben nach dem Zweiten Weltkrieg euren Arsch gerettet. Wir haben euer Land wiederaufgebaut – mit meinem Geld, dem Geld meines Vaters und dem meines Großvaters. Im Kalten Krieg haben wir euch vor den Russen beschützt. Und jetzt, wo wir gegen eine Person kämpfen wollen, die eine Gefahr für die gesamte Welt ist, stellt ihr Kerle euch hin und sagt Nein. Was soll das?“ Ischinger verteidigt sich und sein Land, so gut es eben geht. Er zeigt Flagge, bleibt trotzdem ruhig und sachlich. Ein Meisterwerk offensiver Diplomatie.

Viereinhalb Jahre diente Ischinger in Washington. Es war die wohl schwierigste Zeit, die ein deutscher Diplomat dort verbracht hat. Stress, Missverständnisse, Kontaktabbrüche, Verwerfungen. Sein erster Arbeitstag fällt zufällig auf den 11. September 2001. Der „uneingeschränkten Solidarität“, wie sie den Amerikanern versprochen wird, folgt der bittere Disput über den Irakkrieg. Doch Ischinger verkriecht sich nicht. Er schreibt Editorials für US-Zeitungen, geht in Talkshows und redet an Universitäten. Ohne seinen Einsatz hätte sich der Zorn der US-Regierung wohl weniger auf Frankreich gerichtet als auf Deutschland.

Dafür wurde ihm jetzt gebührend gedankt. Am Dienstag hatte die Atlantik-Brücke einen imposanten „Ischinger-Fanclub“ zum Dinner ins Atrium der Deutschen Bank in Berlin-Mitte eingeladen. Hier kam ein Kreis zusammen, der fast komplett vor den BND-Untersuchungsausschuss zitiert werden könnte: Allesamt Transatlantiker, die trotz des Irakkriegstreites die Verbindungen zu den USA nicht abreißen ließen. Ex-Innenminister Otto Schily hielt die Laudatio auf den „fabelhaften und brillanten Diplomaten“. Ein Grußwort von Colin Powell wurde verlesen, Ex-BND-Chef August Hanning war gekommen, US-Botschafter Willam Timken, der US-Vertreter bei der EU, Boyden Gray, Klaus Kinkel, Maybrit Illner, Rudolf Scharping. Ischingers nächste Station heißt London. Für Transatlantiker liegt das gewissermaßen auf dem Weg.

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