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Die neun Tage alte Giraffe Bine schmust im Berliner Tierpark Friedrichsfelde mit ihrer Giraffen-Tante Andrea. Das Giraffenkind war am 30. April während der Besuchszeit auf der Freifläche unter den Augen zahlreicher Besucher geboren worden.

© Stephanie Pilick/dpa

Berlin und seine Tierparks: Wir und das Tier - das ist mehr als Eventkultur

Mehr Lebensraum und mehr Erlebnis – der artgerechte Umgang mit dem Tier sollte die neue Rolle der Zoos in unserer Welt bestimmen. Es geht um die natürliche Achtung vor anderem Leben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Peter von Becker

Berlin hat wie London oder Paris zwei Zoos. Den Tierpark in Lichtenberg besuchen im Jahr über eine Million Menschen, im Zoo am Landwehrkanal im Westen der Stadt waren es im vergangenen Jahr sogar 3,3 Millionen. So viele wie nie zuvor.

Das sind stolze Zahlen für den neuen, beide Anlagen seit 2014 mit frischem Elan führenden Zoodirektor Andreas Knieriem. Er gebietet zusammen über 500 Mitarbeiter und den größten, artenreichsten Zoobetrieb Europas, mit 25 000 Tieren.

Aber Knieriem hat in Ost und West auch einen riesigen Sanierungsbedarf geerbt: Der reicht von Problemen der artgerechten Haltung, der Präsentation und des Besucherservice bis hin zu Fragen, wie an die von den Nazis enteigneten jüdischen Mitbesitzer der Berliner Zoo AG erinnert wird und Nachfahren zu entschädigen sind. Knieriem hat für die Anlagen in West- und Ost-Berlin schon viele konkrete Verbesserungsvorschläge gemacht. Und dem Senat jetzt ein Konzept vorgestellt, wie er dem für Tier, Mensch und Landschaft primär sanierungsbedürftigen Ost-Berliner Tierpark eine attraktive Zukunft bereiten möchte.

Grundsätzlich plädiert Knieriem für mehr Lebensraum der Tiere und trotzdem mehr Nähe, Erkenntnis und Erlebnis. Der Hype um einen Einzelstar wie das Eisbärbaby Knut ist vorbei. Dafür soll die Tierwelt als Teil der Gesamtwelt erfahrbar werden. Hier geht es um mehr als nur Zahlen und Daten und den Zoo als Tourismusattraktion. Tiere in Gefangenschaft gehören nicht einfach zur Eventkultur. Zwar steigt in Deutschland noch immer der Fleischkonsum, aber Massentierhaltung und industrielle Massenschlachtung sind längst im Verruf, und jeder Zehnte in Deutschland ist bereits Vegetarier. Da geht es nicht allein um Geschmack oder Gesundheit, nicht um Ideologie oder Religion, sondern um die natürliche Achtung vor anderem Leben. Tiere sind keine Sachen.

In New York läuft dieser Tage vorm Obersten Gericht ein Verfahren, das klären soll, ob Schimpansen, sprich: Menschenaffen, rechtlich gar als Personen anzusehen sind. Klingt absurd? Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte dies vor fünf Jahren noch aus formalrechtlichen Gründen verneint, ohne inhaltliche Befassung. Dagegen hat ein Gericht in Buenos Aires einem Orang-Utan schon das „Recht auf Freiheit“ zuerkannt.

Die relative Nähe des Menschen zum Tier neuerdings genetisch begründen zu wollen, erscheint allerdings unsinnig. Obwohl die Erbanlagen von Mäusen und Menschen zu 90 Prozent übereinstimmen, bleiben da ein paar Unterschiede. Auch 98 Prozent genetische Verwandtschaft mit Schimpansen machen Menschen noch nicht zum Affen, so wenig, wie die Banane (50 Prozent Gengleichheit) ein halber Mensch ist. Andererseits stimmt wohl die Einschätzung, dass der Mensch das einzige Tier ist, das weiß, dass es sterblich ist.

Es ist dies der Unterschied. Trotzdem taugen Tiere nicht nur zum Nutz- und Kuschelwesen – oder zu Fantasien, die sie wie bei King Kong oder „La Belle et la Bête“ zum bestenfalls liebenswerten Monster machen. Tiere sind anders. Aber dass sie auf unserem winzigen, zerbrechlichen Planeten Teil unserer gemeinsamen Weltnatur sind, ist eine Erkenntnis, die auch einen Zoo zum kulturellen Welterbe machen kann.

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