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Meinung: Brüsseler Basar

Die Türkei bewegt sich – und wird doch ein stacheliger EU-Kandidat bleiben

Das fängt ja gut an. Die EU bietet der Türkei nach jahrelangem Zaudern Beitrittsverhandlungen an, verzichtet trotz entsprechender Forderungen einiger Mitgliedstaaten auf die Erwähnung von Alternativen zur Vollmitgliedschaft – doch die Türkei ziert sich bis zum Schluss, droht gar, das Angebot abzulehnen. Ja, möchte denn die EU der Türkei beitreten oder umgekehrt?

Das Verhalten des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan erklärt sich zum Teil aus den großen Emotionen, die das Thema Zypern in der Türkei auslöst. Sein harter Verhandlungsstil ist aber auch ein Vorbote für den Verlauf der Beitrittsgespräche. Die Türkei bleibt für die EU ein sehr stacheliger Kandidat.

Erdogan ist als hartnäckiger Partner bekannt. Kurz vor der Veröffentlichung des jüngsten Türkei- berichts der EU-Kommission im Oktober ließ er den Konflikt um die Bestrafung des Ehebruchs eskalieren und legte die dramatische Krise mit Brüssel erst im letzten Moment bei. Beim Gipfel in Brüssel kamen zu dieser Hartleibigkeit offenbar auch taktische Fehler. Erdogan hatte seiner Bevölkerung zu Hause versprochen, er werde nichts unterzeichnen, was auf neue Bedingungen für die Türkei hinauslaufe. Als die EU dann genau das von ihm verlangte – eine Unterschrift nämlich – saß er in der selbst gestellten Falle. Nur mit Mühe und der Hilfe einiger europäischer Freunde konnte er sich daraus befreien.

Erdogan hat in der EU gewiss keine Freunde gewonnen. Selbst verlässliche Verbündete wie Kanzler Schröder konnten dem türkischen Premier im Streit um die Anerkennung Zyperns nicht mehr folgen. Ein bitterer Nachgeschmack im Verhältnis zwischen der Türkei und den EU-Staaten wird bleiben.

Das war sicher nicht Erdogans Absicht. Jeder türkische Ministerpräsident muss beim Thema Zypern sehr vorsichtig sein. Die Türkei sieht sich im Konflikt um die geteilte Insel als Opfer griechischer Angriffe und Ränkespiele. Wenn daheim der Eindruck entsteht, Erdogan verschenke Zypern – trotz aller Friedensbemühungen der türkischen Seite – bekommt er in Ankara große Probleme: weniger mit den Militärs, die sich in der Angelegenheit bisher sehr zurückgehalten haben; aber vor allem mit den nationalistischen Wählern und dem nationalistischen Flügel seiner eigenen AK-Partei.

Abgesehen von dieser innenpolitischen Lage sind die Erfahrungen des EU-Gipfels ein Omen für die Atmosphäre der Beitrittsgespräche, die am 3. Oktober 2005 beginnen. Neben Zypern gibt es weitere Themen, bei denen sich die Türkei nicht als Partner, sondern als Außenseiter fühlt, dem die EU große – oft als unfair empfundene – Zugeständnisse abverlangt. Speziell bei der Übertragung von Souveränitätsrechten an die EU dürfte es Krach geben.

Doch auch diese Lehre ergibt sich aus dem Gipfel: Die Türkei ist trotz aller Theatralik, Drohungen und Kritik an der EU bereit, am Ende einzulenken und mit den Europäern zusammenzuarbeiten. Erdogan ist nun nicht nur der türkische Ministerpräsident, der die Türkei zu den lange ersehnten EU-Beitrittsgesprächen geführt hat, sondern auch der erste Regierungschef, der sich persönlich auf eine – wie auch immer geartete – Anerkennung der griechischen Republik Zypern festgelegt hat. Die Türkei bewegt sich also. Auch wenn sie dabei hier und da bei den Europäern aneckt.

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