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Bündnis-Geplänkel: Wie man Koalitionen herbeiredet

Die Repräsentanten der SPD reden ununterbrochen über die Linke - dabei hilft den Sozialdemokraten nur Geduld.

Sozialdemokraten lieben die Zukunft und die Theorie. Deshalb beschäftigen sie sich gern mit Dingen, die gegenwärtig irrelevant und in der Praxis ohne Bedeutung sind. Dazu gehört das schöne Spiel: Wie halte ich es mit der neuen Linken? Doch statt der Mahnung Clemenceaus Elsass-Lothringen betreffend zu folgen: "Immer daran denken, nie davon sprechen", macht es die SPD genau umgekehrt – ihre Repräsentanten sprechen ununterbrochen davon, ohne vorher nachzudenken.

Dabei ist alles, was heute gesagt wird, geistiger Mummenschanz. Denn so wie Franz Josef Strauß immer gewusst hat, dass es rechts von CDU/CSU keine ernsthafte Kraft geben darf, wenn die Volkspartei und ihre Wahlergebnisse nicht Schaden nehmen sollen, so muss auch die SPD dafür Sorge tragen, dass links von ihr auf Dauer niemand ihren Alleinvertretungsanspruch infrage stellt. Das ist leichter gesagt als getan, solange eine ehemals realsozialistische Linke in den neuen Bundesländern eine Basis hat und Oskar Lafontaine aus gekränkter Eitelkeit den Geist von Spartakus und USPD beschwört. Doch gerade deren Geschichte kann die SPD zuversichtlich stimmen. Die USPD verschwand in ihrer sozialdemokratischen Mutter, nachdem die Differenz beider über ihre Haltung zur Novemberrevolution von 1918 zur Geschichte geronnen war, und die in der Weimarer Republik von der siegreichen russischen Revolution ausgelöste und ausgehaltene kommunistische Linke wird ohne eine neue Sowjetunion vergehen, sobald die letzten DDR-Nostalgiker ausgestorben sind.

Jede Diskussion über eine angebliche linke gesellschaftliche Mehrheit, die nur nicht funktionabel sei, kann da nur stören, so wie einst die Grünen gestärkt wurden, solange man sie aus dem System zu verbannen suchte. Heute sind die Revolutionäre von damals eine linksbürgerliche Partei, die zu CDU und FDP schielt, die neue Linke aber Fleisch vom Fleisch der Sozialdemokratie, das sich diese zurückholen muss und wird, wenn die Zeit reif ist.

Aber noch ist die Zeit nicht reif, Lafontaine, Gysi und die Angst vor einem Freiheit-statt-Sozialismus-Wahlkampf stehen dagegen. Doch sobald es irgendwo im alten Westen die erste schwarz-grüne Koalition gibt, werden rot-rote Bündnisse bei entsprechenden Wahlergebnissen folgen. Und irgendwann – vielleicht auch ohne den Vorlauf eines sozialistischen Außenministers – wird ein sozialdemokratischer Parteivorsitzender das Ende der Spaltung der Linken verkünden.

Sollte Lafontaine das im Hinterkopf haben und trotz früherer Verantwortungsflucht und heutigem Populismus auf krummen Wegen diesem Ziel zustreben, könnte er sogar noch als Staatsmann in die Geschichtsbücher gelangen. Allerdings müsste auch er sich zuvörderst an den Rat Clemenceaus halten: Immer daran denken, nie davon sprechen.

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