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Die Piraten rangen ein ganzes Wochenende um ihre Inhalte - viel herausgekommen ist dabei nicht.

© dpa

Bundesparteitag in Bochum: Piraten unter der Käseglocke

Viel herausgekommen ist auf dem Parteitag in Bochum nicht - vieles von dem, was die Piraten wollen, will die Konkurrenz auch. Aber die hat das besser durchdacht. Zu einem spannenden Demokratie-Experiment haben sich die Piraten nicht durchringen können. Wofür werden sie eigentlich noch gebraucht?

Groteske Geschäftsordnungsschlachten, hunderte unerledigte Anträge, während man sich zwanzig Minuten nimmt, um über „Zeitreisen“ zu diskutieren: Sieht so das Update für das Betriebssystem Politik aus, das die Piratenpartei versprochen hat?

Der Aufwand auf ihrem Bundesparteitag war maximal, der Ertrag dürftig. Einige Beschlüsse verdienen es zwar, erwähnt zu werden. Die Piraten wollen weg von einer simplen Wachstumsgläubigkeit, die Wirtschaftskraft und Vollbeschäftigung mit Wohlstand verwechselt, sie treten für den Ausstieg aus der Kernenergie ein, für Mindestlohn und Mindestrente. Das sind Inhalte, sicher. Aber das alles ist auch bei der politischen Konkurrenz zu bekommen – und zwar besser durchdacht.

Manche Piraten, gerade aus dem Landesverband Berlin, wollen eine ständige Mitgliederversammlung im Netz, um endlich programmatisch voranzukommen. Diese Idee könnte zum echten Experiment werden, um Demokratie und digitale Revolution zu versöhnen. Doch die Piraten entschieden sich dagegen, das Konzept überhaupt zu diskutieren. Viele fürchten, bei den Debatten, die nicht von Angesicht zu Angesicht geführt werden, könnten sich demokratisch nicht kontrollierbare Machtzirkel etablieren. Auch ist der Einwand berechtigt, dass Anonymität und Überprüfbarkeit bei Abstimmungen im Netz nicht gleichzeitig zu haben sind. Dennoch ist die Botschaft: Wenn es politisch ernst wird, trauen die Piraten dem Internet doch nicht. Wofür aber werden sie dann gebraucht?

Die Piraten wollen bei ihrem zähen Arbeitstempo bleiben. Deshalb kommen sie programmatisch über Allgemeinplätze kaum hinaus. Unter der Käseglocke aber, dort, wo sie es sich gemütlich eingerichtet haben, fällt das wahrscheinlich gar nicht mehr auf.

Dennoch: Parteichef Schlömer könnte recht behalten mit seinem Optimismus in Sachen Bundestagseinzug – und der Prognose, die Piraten bräuchten dafür kein Vollprogramm. Eine Protestpartei sind die Piraten nie gewesen, sie meinen es ernst mit der Politik, obwohl und gerade weil sie es sich selbst so schwermachen. Das spüren die Wähler, die vom politischen System frustriert und auf der Suche nach einer konstruktiven Alternative sind. Das könnte die Piraten noch bis in den Bundestag tragen. Die Selbstgewissheit aber ist bezeichnend, mit der sie sich darauf verlassen, trotz enormer programmatischer wie personeller Probleme. Die Käseglocke wirkt.

Sollte die Konkurrenz sich jedoch durchringen, ernst zu machen mit Transparenz und Partizipation, könnte es den Piraten ganz schnell passieren, dass sie keine flüssige Politik mehr betreiben. Sondern überflüssige.

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