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Meinung: Bush reloaded

Ermuntert durch die Wähler: Die neue Außenpolitik der USA wird aussehen wie die alte

Eins fügt sich zum anderen. Langsam entsteht ein Bild. Es verheißt nichts Gutes. Ungemach droht. Wer immer gehofft haben sollte, nach dem Wahlsieg von George W. Bush werde dessen zweite Amtszeit von Zurückhaltung geprägt sein, Augenmaß und Moderation, wird bald bitter enttäuscht sein. Alles deutet darauf hin, dass der US-Präsident das Wahlergebnis als Ermunterung wertet. Wir können auch anders? Vielleicht – aber wir werden nicht. Stattdessen heißt das Motto: Jetzt erst recht.

Mit Colin Powell hat die letzte Bastion der Realos das Schiff verlassen. Condoleezza Rice wird vollstrecken, was das Weiße Haus beschließt. Dort zieht die Fäden nach wie vor Vizepräsident Dick Cheney. Als neuer Stellvertretender Außenminister wird John Bolton gehandelt. Der ist in puncto Iran, Nordkorea, Vereinte Nationen ein Hardliner. Einen Job im State Department soll auch Danielle Pletka bekommen, die bislang Vizepräsidentin des „American Enterprise Institute“ war, der Kaderschmiede der Neokonservativen. Unterdessen wird bei der CIA mit eisernem Besen ausgekehrt. Der Auslandsgeheimdienst soll auf Linie gebracht werden. Das Pentagon ist ohnehin fest in den Klauen der Falken.

Mehrere Konfliktfelder bahnen sich an. Ungebrochen ist in Washington der Wille, die „Achse des Bösen“ zu zerschlagen. Im Irak ist das Werk fast vollbracht. Nun sind Iran und Nordkorea dran. Die Mullahs in Teheran sollen keine Ruhe mehr haben. Da können die Europäer mit ihren diplomatischen Künsten einen Purzelbaum nach dem anderen schlagen: Die Punkte vergibt Washington. Und es werden immer zu wenige sein. Unausgesprochen steht die Drohung mit gezielten Militärschlägen im Raum. Am Sonnabend, beim Apec-Gipfel in Chile, hat Bush den Ton unmissverständlich vorgegeben. Denn wenn die vergangenen vier Jahre eins gelehrt haben: Dieser Präsident meint, was er sagt. Mit diesem Ruf will er in die Geschichtsbücher eingehen.

Andere Krisen schwelen, können aber jederzeit aufbrechen. Die Dollarschwäche etwa wird im Weißen Haus bewusst toleriert – zum Missfallen der Europäer. Noch dramatischer sehen die Sturmwolken aus, die aus Washington gen New York ziehen, zum Hauptquartier der Vereinten Nationen. UN-Generalsekretär Kofi Annan gilt bereits inoffiziell als Persona ingrata. Als politischer Hebel, um ihn einzuschüchtern, wird der Korruptionsskandal um das „Oil-for-Food“-Programm benutzt. Die New Yorker Staatsanwaltschaft wurde eingeschaltet. Der Senat hat einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Dessen Vorsitzender, Norm Coleman, hat Annan vor kurzem einen geharnischten Brief geschrieben. Auch im Repräsentantenhaus laufen die ersten Anhörungen. Zwischen UN und Kongress tobt ein Machtkampf. Bislang halten die Europäer sich heraus. Doch lange wird diese Strategie nicht mehr funktionieren. Bald werden sie Farbe bekennen müssen.

Und die Geschichtsbücher? Ist das Vorbild von Bush nicht Ronald Reagan? Und wurde der nicht auch in seiner zweiten Amtszeit erstaunlich zahm? Von wegen!, sagen Amerikas Konservative. Nicht Reagan sei zahm geworden, sondern in der Sowjetunion Michail Gorbatschow an die Macht gekommen. Nicht Washington habe sich gewandelt, sondern Moskau. Ähnliches wird auch heute erwartet: Bush soll bleiben, wie er ist, alle anderen mögen sich gefälligst auf ihn zubewegen – Iran und Nordkorea, die Alteuropäer, die Araber. Außerhalb der USA glauben viele, Bush habe trotz seiner knallharten Außenpolitik die Wahl gewonnen. Im Weißen Haus glaubt man, er sei wegen seine Härte Präsident geblieben. Diesem Missverständnis folgt bald Streit. Offen ist nur, woran er sich entzündet und wann er ausbricht.

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