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CDU: Die Spitzenkräfte gehen dann mal

Jeder einzelne Abgang, sechs an der Zahl sind es inzwischen, hat seine eigene Geschichte. Und die hat mit dem jeweiligen Ministerpräsidenten aus den Reihen der CDU zu tun. Aber in der Summe hat es dann doch etwas für die CDU-Vorsitzende zu bedeuten.

Sechs! In so kurzer Zeit! Das hat es noch nie gegeben. So ist die Wahrnehmung, und so wirkt es nach.

Ja, Angela Merkel und die Männer in der Politik, das ist ein eigenes Kapitel. Eigentlich sogar ein Thema für ein Buch. Einmal abgesehen von der Schröder-Geschichte 2005: Die Kochs und Beusts und wie sie alle heißen, die nun allmählich dem Vergessen anheimfallen werden – es ist so, dass sie auch gingen, weil sie ihrer Arbeit irgendwann müde geworden sind. Weil Politik immer ein Amt auf Zeit ist. Aber kaum einer der inzwischen vormaligen Großen der Partei macht ein Hehl daraus: Sie sind, unterschiedlich in Schärfe und Ausprägung, auch der Situation unter Merkel müde geworden. Unter ihr heißt, dass sie als ihre Vizes oder Präsiden von Amts wegen in der Partei nichts bis wenig bestimmen konnten, obwohl sie mit bestimmen sollten. Was einigen von ihnen versprochen worden war. Dass aber Versprechen nicht eingehalten werden, ist in der CDU unter Merkel kein Einzelfall; zum ersten Mal öffentlich wurde es im Fall Friedrich Merz, der seinerzeit als Unionsfraktionschef ausgebootet wurde.

So kommt es, dass die CDU jetzt ein Problem mit dem Konservativismus hat. Symptomatisch miteinander verbunden zeigt sich das daran: Roland Koch, der Konservative, konnte seine Vorstellungen nicht ausreichend zur Geltung bringen. Und Ole von Beust, der das Liberale verkörperte, geht, weil in der Zwischenzeit die Konservativen, die der CDU zuneigten, in die außerparlamentarische Opposition gehen. Das Konservative sucht sich andere Ausdrucksformen. Siehe Hamburg, wo es sich gegen den Senat organisiert hat.

Das wiederum fällt auch auf Merkel zurück; Anzeichen von Bindungslosigkeit sind darin zu erkennen. Das eine ist, dass Beust in Hamburg nicht nur liberal, sondern durch seine jeweiligen Koalitionspartner politisch beliebig gewirkt haben mag. Das andere, Wichtigere, wird jedoch, dass Merkel bei rechtem Hinsehen nie eine wirkliche, existenzielle politische Bindung eingegangen ist, weder mit einer Sache noch mit einer Person, jedenfalls nicht seit dem Leipziger Parteitag 2003, den sie in seinen Beschlüssen offenkundig vergessen machen will. Nicht erinnerlich ist, dass Merkel seither einmal so klar gesagt hätte: Das brauchen wir, den brauchen wir, den brauche ich.

Sie hält nicht, um gehalten zu werden, wie Johannes Rau immer die Bibel zitierte. Das ist als Haltung, so paradox es klingt, auch eine Stärke. Wenn einer geht, wie zuletzt eben Beust, ist das auch irgendwie egal, dann kommt halt der Nächste. Für die Kanzlerin und Parteivorsitzende bedeutet das nichts, nichts für sie und ihre Macht. Eher im Gegenteil, denn zumindest gegenwärtig ist keiner mehr vorhanden, der ihr gefährlich werden könnte. Die Jungen, die nachrücken, sind noch nicht so weit, und wer weiß, wie lange die sich halten können.

Gefährlich werden kann Merkel allerdings, wenn die Menschen in und außerhalb ihrer Partei zu dem Urteil gelangen sollten, sie sei – außer vielleicht beim Fußball – immer nur Kalkül und zur Empathie nicht fähig. Will sagen: dass sie nicht willens oder nicht fähig erscheint, sich in die Lage anderer zu versetzen, mit ihnen mitzufühlen und angemessen zu reagieren.

Einfühlsam geht anders. Und ist nötig, der Menschen wegen. Die Fähigkeit dazu ist auch eine politische Kategorie: In Amerika, dem Land ihrer Sehnsucht, aus dem das Wort vom „mitfühlenden“ Konservativismus stammt, hat das manchem Republikaner zum Wahlsieg verholfen. Wer Compassion hat, wie Bill Clinton oder hierzulande früher Willy Brandt, wird geliebt – oder gehasst. Nur ist genau das für Angela Merkel gar keine Kategorie. Obwohl sie einer Regierungszeit im besten Fall die Größe gibt.

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