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Sie gibt Gummi, er trägt Laserschwert: Dorothee Bär und Andreas Scheuer bei der Verleihung des Computerspielepreises.

© Frederic Kern/imago

CSU in Latex: Was Dorothee Bärs Auftritt über ihre Partei verrät

Über den Auftritt von Digitalministerin Bär lässt sich gut männerwitzeln. Dabei zeigt er erneut, wie weit die Modernisierung der CSU schon ist. Eine Glosse.

Eine Glosse von Andrea Dernbach

“Gewagt, gewagt.” Bei diesem Anblick fällt selbst den routinierten Zeilenschmieden von “Bild” die Bildunterschrift schwer und nur noch ein Wort ein. Wir sehen: Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitales, im knappen, engen Latexdress. Die säftelnden Kommentare nicht nur der Parteifreunde – Parteifreundinnen von Rang sind in der CSU bekanntermaßen dünn gesät – dürfte sie, die die einschlägigen Bierzelte kennt, einkalkuliert haben, als sie sich in den spacken Gummi packte. “Ich hab mir gedacht: Was ist die Berliner Variante für das Dirndl? Und dann bin ich auf das gekommen”, sagt Bär.

Wir mit Hauptwohnsitz Berlin runzeln da vielleicht ein bisschen die Stirn, aber, hey: Bingo, was die Dirndl-Assoziation angeht! Das Dekolleté von Bärs kleinem Rosaroten ist eher züchtiger als der Ausschnitt des offiziellen bayerischen Festoutfits(w/d), der bekanntlich nahe der Brustwarzen zu verlaufen hat.

50 Millionen für Computerspiele - im Nordosten geht nicht mal Handy

Die Lacher kriegt Bär gratis. Zu befürchten ist, dass dabei das politische Statement dieses Bildes und seine schöne Stimmigkeit untergehen dürften. Da wäre einmal der Mann an Bärs Seite, Minister Andreas Scheuer, der in seiner Aufgedrehtheit eher mehr Grund zum Fremdschämen bietet. Und da ist der Anlass: Der Auftritt der beiden Christsozialen galt der Verleihung des Deutschen Computerspielpreises. Scheuer will für eine bessere Förderung von Computerspielen “made in Germany” immerhin 50 Millionen Euro lockermachen. Das wird in den Tälern der Abgehängten im vereinten Deutschland große Freude auslösen.

Das Verkehrsministerium, das auch für digitale Infrastruktur zuständig und 2019 seit zehn Jahren in CSU-Hand ist, muss all die Zeit schlicht übersehen haben, dass es in Mecklenburg-Vorpommern noch immer Gegenden gibt, wo selbst mobiles Telefonieren nur auf der Anhöhe der nächsten Pferdekoppel funktioniert. Scheuers Vorgänger Dobrindt hatte schließlich vier Jahre lang mit der Ausländermaut alle Hände voll zu tun. Da ist es gut, dass man Computer auch offline spielen kann.

Söder missversteht das Kruzifix, Bär versteht das Dirndl

Bärs Latexfummel ist da nicht nur wie ein Augenzwinkern – wer dächte nicht sofort an Lara Crofts maximal hautnahe Dienstkleidung – er setzt auch ein schrillbuntes weiteres Signal für den atemberaubenden Modernisierungsprozess der CSU. Die Partei mit dem C stellt inzwischen einen Ministerpräsidenten, der Bayerns Behörden eine Kruzifix-Deko verordnet und das damit begründet, das Kreuz stehe für die "geschichtliche und kulturelle Prägung Bayerns". Radikalsäkularisierung des zentralen christlichen Zeichens ausgerechnet im katholischen Kernland - da verschlug’s selbst den katholischen Bischöfen den Atem.

Nun lüftet die Digitalstaatsministerin in Pink und Latex explizit und endlich die verborgene Semantik des Dirndls und setzt gleichzeitig ein genderpolitisches eigenes Zeichen (“Egal was ich trage, nein heißt nein”). Das darf man schon als ein Stück Aufgeklärtheit betrachten, das die alten und weniger alten Herren der CSU noch älter aussehen lässt. Warten wir also, ob Dorothee Bär nicht nach AKK die nächste Merkel des angeblich christlichen deutschen Konservatismus wird. Wenn auch mit etwas andern Mitteln als die Vorgängerinnen.

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