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Daimler: Savoir-vivre auf schwäbisch

Nach dem Chrysler-Trauma muss Daimler es mit Renault intelligenter anstellen

Daimler wird französisch? Mon dieu, nein! Vorstandschef Dieter Zetsche und Carlos Ghosn von Renault-Nissan bemühten sich am Mittwoch, ihre neue Partnerschaft peinlich genau im Gleichgewicht zu halten. Auf neutralem Boden in Brüssel verkündeten beide ein Autobündnis, das auf keinen Fall als Fusion oder gar Übernahme interpretiert werden soll. Gemeinsam wollen sie stark sein, Kleinwagen bauen, Motoren entwickeln und austauschen, elektrisch in die mobile Zukunft aufbrechen. Auch größer wollen sie werden, die Stückzahlen steigern, die Werksauslastung verbessern. Aber Größe, das betont der Franzose, wird kein Selbstzweck sein. Daimler bleibe Daimler, Renault in der Allianz mit Nissan bleibe Renault. Auch die Kapitalbeteiligung ist reine Symbolik, heißt es. Sie setze ein Zeichen, dass die Zusammenarbeit dauerhaft sein soll.

Allen ist klar: Nach dem Chrysler-Trauma muss Daimler es mit den Franzosen intelligenter, durchdachter und preiswerter anstellen als damals mit den Amerikanern. Erst kommen die Inhalte, dann die Form, betont Zetsche. Bei Chrysler war es andersherum – und ging deshalb schief. Nicht zuletzt der stupide Größenwahn der „Welt AG“ brach Daimler fast das Kreuz.

Zetsche und Ghosn beschwören deshalb die Vernunft und sparen doch nicht mit großen Worten. Vielleicht, weil die Skeptiker alles klein zu reden versuchen. Will Ghosn mehr als Zetsche? Mischt sich der französische Staat, der 15 Prozent an Renault hält, in die Geschäftspolitik von Daimler ein? Verliert der Stern seinen automobilen Glanz?

Die Kooperation beim Bau von kleinen, verbrauchsarmen und batteriebetriebenen Autos und Motoren ist tatsächlich vernünftig. BMW und Peugeot-Citroën, Fiat und Chrysler, VW und Suzuki sind schon so weit. Daimler hat Nachholbedarf. Will der Autobauer den lange ungeliebten Smart, der Milliarden verbrannt hat, retten, braucht Daimler einen Partner, der etwas von solchen Autos versteht. Ähnliches gilt für die A- und B- Klasse. Die Erkenntnis kommt spät, aber sie kommt: Daimler kann große Autos bauen, bei den kleinen fehlt es am Know-how, an effizienten Stückzahlen – und vielleicht auch am nötigen Willen, in diesem Segment Profil zu gewinnen. Gewinnen muss Daimler aber auch hier, denn Kleinwagen sind in den Schwellenländern der Einstieg in die Autowelt und auf den etablierten Märkten eine Antwort auf die Klimaveränderung.

Dass nun ausgerechnet Renault- Nissan nachhelfen soll, ist gewiss exotisch. Beide Hersteller haben wenig gemeinsam (abgesehen von Milliardenverlusten im Jahr 2009). Hier der Luxushersteller mit höchsten Ansprüchen an Verarbeitung, Leistung und Preisniveau. Dort der Massenproduzent mit zweifelhafter Qualität und gewöhnungsbedürftigem Design. Aber warum sollte Daimler nicht ein bisschen französisch werden? Etwas Savoir- vivre im Kleinwagenbau kann den schwäbischen Ingenieuren nicht schaden. Wenn der Kulturaustauch funktioniert und klug gerechnet wird, bieten sich Daimler große Chancen. Zetsche muss sie nutzen. Viele Alternativen hat er nicht.

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