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Darüber spricht ganz …: …Indien

Früher interessierten sich die Inder für Tennis, Golf und Cricket. Jetzt gibt es oft nur noch einen Sportler auf den Titelseiten: Viswanathan Anand, charismatischer Schachweltmeister und Publikumsliebling.

Viswanathan Anand ist gerade erst Schachweltmeister geworden und hat an diesem Tag schon ein Dutzend Interviews gegeben, dennoch stellt der Inder die erste Frage des Gesprächs: "Na, wie geht’s?“ Die locker auf Deutsch vorgebrachte Begrüßung verrät einiges über den Mann, der so gar nicht dem Klischee eines egomanischen Schachgenies entspricht. Weltoffen, freundlich und mit geheimnisvoller Leichtigkeit hatte er bereits vor vielen Jahren die Weltspitze erklommen und damit in seiner Heimat eine Schacheuphorie ausgelöst. "Wenn ich jetzt dahin zurückkomme, wird es, glaube ich, wieder ziemlich verrückt.“

Als Anand, 1969 im südindischen Madras in die privilegierte Kaste der Brahmanen hineingeboren, im Alter von 18 Jahren Indiens erster Großmeister wurde, nahm dort kaum jemand Notiz davon. Für Cricket, die beliebteste Sportart in Indien, interessierten sich die Massen, auch für Golf und Tennis. Schach war bedeutungslos. Das sollte sich in ähnlich atemberaubendem Tempo ändern, wie der junge Vegetarier mit den geschmeidigen Fingern seine Züge aufs Brett zu zaubern pflegte. Statt drei Stunden verbrauchte Anand für manche Partien nur 15 Minuten Bedenkzeit. Offenbar kamen diesem genialen Kopf selbst die kompliziertesten Züge sofort in den Sinn. Er schlug Anatoli Karpow, Garry Kasparow und andere Cracks. Seitdem berichten in Indien Tageszeitungen mit Millionenauflagen über Anands Partien – als Aufmacher! Mittlerweile nimmt er sich mehr Zeit für seine Züge, aber er ist immer noch ein intuitiver Spieler mit schnellen Reflexen. "Es lief viel leichter als erwartet“, sagt Anand über seinen Sieg beim WM-Turnier in Mexiko. Vermutlich wird er nun wieder zu Indiens Sportler des Jahres gewählt. Sogar die Cricket-Stars, die ein paar Tage zuvor die Twenty20-WM in Südafrika gewannen, gratulierten Anand ehrfürchtig; ebenso der indische Premierminister.

In Indien blüht der Absatz an Schachspielen. Und dank Anand sind schon einige Talente nachgewachsen: Neben der Nummer 1 stehen zwei weitere indische Großmeister in den Top 50; und die 20 Jahre alte Koneru Humpy ist die zweitbeste Spielerin der Welt. Auch der jüngste Großmeister, der 14 Jahre alte Parimajan Negi, ist ein Inder. "Heute gibt es eine Schachförderung auf breiter Plattform“, sagt Anand. In dieser Woche hilft er noch seinem Klub, dem deutschen Meister OSC Baden-Baden, bei den europäischen Teammeisterschaften in der Türkei. Mitte des Monats wird er mit seiner Frau Aruna nach Indien zurückkehren.

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