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Das Drama wiederholt sich: Wird Libyen das zweite Kosovo?

In Libyen geschieht ein Massaker und die Welt sieht zu. Von Interventionen ist die Rede, doch die Internationale Gemeinschaft ist handlungsunfähig. Das Drama des Kosovo-Krieges scheint sich zu wiederholen. Damals führte die Nato schließlich eine Entscheidung herbei.

Viele Europäer sind entsetzt über das Blutvergießen vor ihrer Haustür. Ein Diktator verübt Massaker an seinen Bürgern, um die Macht zu retten. Wer ein Herz hat, ruft nach Intervention, um das Morden zu stoppen. Doch dazu kann sich die EU gegen Libyens Gaddafi ebenso wenig durchringen wie in den 90er Jahren in Bosnien und Kosovo gegen Serbiens Milosevic. Erst, als Amerika die Führung und das militärische Handeln übernahm, endete das Blutvergießen. Europa war beschämt und versprach Besserung.

Doch wo ist der Fortschritt bei gemeinsamer Außenpolitik und militärischen Fähigkeiten anderthalb Jahrzehnte später? Das Drama wiederholt sich. Erstens sind die nationalen Regierungen uneinig. Briten und Franzosen wollen eine Flugverbotszone. Deutschland ist skeptisch. Italien dagegen. Zweitens bleibt als gemeinsamer Nenner, dass für militärisches Eingreifen ein UN-Mandat nötig ist; das wird aber wohl nicht kommen, Russland und China verweigern es. Drittens sind die Europäer, selbst wenn sie wollten, heute genauso wenig fähig, militärisch aus eigener Kraft zu handeln, wie damals auf dem Balkan. Sie hoffen auf die Nato, also auf Amerika.

Soll die Nato ohne UN-Mandat eingreifen? Im Kosovo entschied sie, sie dürfe das auch ohne Segen der UN, um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu stoppen. Wie viele libysche Zivilisten müssen sterben, bis das auch 2011 gilt?

Amerikaner, die Europa lieben, leiden in diesen Tagen wieder Seelenqualen. Europa hat wenig beizutragen zu einem guten Ausgang in Libyen, hat aber auch nicht den Mut, die eigenen Unzulänglichkeiten offen zu diskutieren. Der selbstverschuldete Mangel an Handlungsoptionen wird kompensiert durch ein Übermaß an moralischen Reden. Dazu gehört für Amerikaner auch die Behauptung, es sei eine Schande, dass der Westen sich jahrelang mit Gaddafi eingelassen habe. Das stimmt nur zum Teil.

Die Gespräche, die dazu führten, dass Gaddafi sein Atomwaffenprogramm und die Giftgasproduktion aufgab sowie dem Terrorismus abschwor, sind im Rückblick ein Segen, auch für die libysche Opposition. Hätte Gaddafi Massenvernichtungswaffen, würde niemand auch nur erwägen, der Opposition militärisch zu helfen. Dieser Teil der Realpolitik war richtig. Schmutzig war die damit einhergehende Geschäftemacherei, voran der Italiener und Briten. Den USA ist im Fall Libyen wenig vorzuwerfen.

Was tun für Libyen? Diese Debatte muss mit Herz und Verstand geführt werden. Die Flugverbotszone wird nötig, wenn Gaddafi Massaker an Zivilisten mit Luftangriffen verübt. Noch ist das nicht der Fall, aber die Nato sollte sich darauf vorbereiten. Waffenlieferungen an die Opposition, damit sie sich gegen Gaddafi halten kann, sind eine weitere Option. Zuvor muss der Westen aber herausfinden, wer dort das Sagen hat, damit er nicht Kräfte aufrüstet, die die Lage in Libyen verschärfen. Und: Europa muss lernen, offen und ehrlich über Realpolitik zu reden. Im ersten Praxistest seiner neuen Außenpolitik nach dem Lissabon-Vertrag ist es durchgefallen.

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