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Meinung: Das ist der Test

Föderalismusreform und große Koalition: Wer hier blockiert, will nicht regieren

Man stelle sich einmal vor: Mutter oder Vater schicken ihr Kind zum Einkaufen, geben ihm einen Einkaufszettel mit, aber zu wenig Geld. Das wäre merkwürdig, oder? Politik in Deutschland funktioniert aber bisweilen so. Dann nämlich, wenn der Bund den Ländern oder Kommunen etwas vorschreibt, aber die Mittel dafür nur unzureichend bereitstellt. Das Ganztagsschulprogramm ist ein Beispiel: Da gab der Bund zwar ordentlich Geld, aber nur für vier Jahre. Die weitere Zukunft sollten die Länder selbst finanzieren. Doch womit? Kein Wunder, dass die Ministerpräsidenten das Programm nur mit saurer Miene akzeptierten. Wer freut sich schon über ein Geschenk, das frisst?

Mit der Föderalismusreform soll diese Art der Politik beendet werden. Zuständigkeiten klarer verteilen und damit auch Verantwortlichkeiten – das ist das Ziel. Die große Koalition will das Konzept ohne Abstriche umsetzen. Die Absicht steht, doch es gibt Widerstand. Vor allem bei Bildung und Umwelt rufen Fachpolitiker und Verbände nach mehr Zentralismus. Dabei gewinnt der Bund gerade in der Umweltpolitik deutlich an Gestaltungsmacht, die auch durch das geplante partielle Abweichungsrecht der Länder nicht ins Gegenteil verkehrt wird, wie Kritiker unken.

Und in der Bildungspolitik hat der Bund noch nie viel zu gestalten gehabt, auch wenn dies in der öffentlichen Debatte oft anders dargestellt wird. Gerade die Verfassungsbrüche der rot-grünen Koalition auf diesem Gebiet – und die auch wahltaktisch motivierten Lockprogramme wie die Ganztagsschulen – haben das Klima zwischen Bund und Ländern verschlechtert und den Ruf nach Reform lauter werden lassen. Das Verfassungsgericht in Karlsruhe, daran sei erinnert, hat die Position der Länder in den letzten Jahren gestärkt. Kommt die Staatsreform nicht, wäre nicht zuletzt der Bund der Verlierer.

Doch wie macht man eine Verfassungsreform, die ja die politischen Spielregeln neu schreiben soll? Indem man versucht, die Wunschzettel von Interessenverbänden und Fachbürokratien möglichst umfangreich zu erfüllen? Wohl kaum, sondern indem man danach sucht, wie zwischen den staatlichen Ebenen wieder ein durchschaubarer Macht- und Aufgabenausgleich entsteht. Das vorliegende Reformpaket ist ein vernünftiger Versuch, diesen Ausgleich zu schaffen.

Käme es nicht dazu – oder müsste es unter dem Druck von Partialinteressen nochmals aufgeschnürt werden – wäre die große Koalition die große Verliererin. Gescheitert schon beim ersten nennenswerten Reformvorhaben. Da die Reform seit Jahren vorbereitet wurde, wäre breites Unverständnis die Folge. Was wollen Schwarz und Rot noch voranbringen, wenn sie mit ihrer verfassungsändernden Mehrheit im Bundestag und – dank dem Einverständnis der FDP – im Bundesrat nicht einmal die Spielregeln der Politik vernünftig ordnen können?

Dies muss vor allem den Kritikern in der SPD – dort nistet derzeit der größte Widerstand – klar sein. Die Sozialdemokraten stünden als jene da, die eine wichtige Reform verhindert haben. Das möglicherweise angedachte Szenario, die Länder als Schuldige hinzustellen, ist schon beim Scheitern der Föderalismuskommission Ende 2004 fehlgeschlagen. Aber auch unter den Ministerpräsidenten der Länder gibt es Unmut. Er betrifft meist nur Teile der Reform. Auch für diese Kritiker gilt: Bei einer Staatsreform geht’s immer ums Ganze.

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