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David Cameron: Der eiserne Charmeur

David Cameron versucht, Großbritanniens Konservative zur Kraft der Mitte zu machen.

Seit zwei Monaten werden die Briten mit Entschlossenheit und Tempo von einer Koalitionsregierung regiert, der die wenigsten große Chancen gaben – und geben. In David Cameron haben sie einen populären Premier, der, anders als sein Vorgänger, vor Charme und Selbstbewusstsein strotzt. Liest man aber britische Zeitungen, würde man glauben, dass die Koalition kurz vor dem Kollaps steht.

Nur die Starrolle Camerons ist unumstritten. Wie er mit Wagemut und Bluff die Koalition schmiedete und die politische Kultur Großbritanniens über Nacht umkrempelte, gilt schon als historisches Meisterstück. Er nimmt, etwa die Europäer, die mit dem Schlimmsten rechneten, mit Takt und Pragmatismus für sich ein und sagt doch was er denkt, wie jüngst zur Türkei oder zu Pakistan.

Mit rigoroser Konsequenz wird nun das Koalitionsprogramm durchgezogen. Erst überzeugten scharfe Sparmaßnahmen die Märkte. Dann wurde die Außenpolitik neu definiert. Mehr Gelassenheit, mehr realistische Selbsteinschätzung gegenüber den alten Partnern USA und Europa. Neue Aufmerksamkeit für die Wirtschaftsmächte der Zukunft. Mit Reisen nach Berlin, Paris, Washington, Ankara und Delhi begann Cameron mit der Umsetzung.

Zu Hause wurden Reformen angestoßen: im Gesundheitssystem, beim Umbau der teuren Sozialsysteme, die Demokratisierung der Polizei, neue, „freie Schulen“. Wie erfolgreich das wird, bleibt offen. Aber der Kurs ist klar: An die Stelle des autoritären, technokratischen, interventionistischen Zentralismus Labours tritt der liberal-konservative Glauben an die Selbstbestimmung und Selbstregulierung von Individuen, Gemeinschaften und Kommunen, der die Koalition zusammenbindet.

Zwei Gewitter ziehen gleichwohl am Horizont auf. Wenn die Sparmaßnahmen greifen, wird es mit der Popularität der Regierung vorbei sein und die Wähler werden sich nach der (unbezahlbaren) Gemütlichkeit der Labour-Jahre zurücksehnen. Die Streichung des Schulrenovierungsprogramms gab darauf einen Vorgeschmack. Im September werden bei den Parteitagen die Verlierer in den Koalitionsparteien das Wetter machen. Die liberaldemokratischen Koalitionspartner fühlen sich als Feigenblatt einer Tory-Regierung missbraucht, die tut, was sie auch ohne Koalitionspartner getan hätte. Vier von zehn liberaldemokratischen Wählern bereuen ihre Wahl. Parteilinke glauben, dass ihre Partei in der Koalition mit den rechten Tories aufgerieben wird. Und bei den Tories sind die Rechten unzufrieden: In Anspielung auf Ang Lees Film über schwule Cowboys sprechen sie von einer „Brokeback“-Koalition und fragen, ob Cameron überhaupt ein „richtiger Tory“ ist.

Was aber, wenn etwas ganz anderes passiert? Wenn Cameron seinen Kurs mit eisernem Charme durchzieht und die neue Kraft eines „liberalen Konservatismus“ schafft, die Großbritanniens politische Landschaft neu gestaltet? Tony Blair träumte einst von der neuen Mitte, von New Labour als der großen Zentrumspartei, die Großbritannien für eine Generation regieren würde. Nun hat Cameron die Chance, Urvater dieser Kraft zu werden – nur dass sie nicht links, sondern rechts der Mitte steht.

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