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Meinung: Der Kaufmann von Peking

Im Atomstreit mit Nordkorea übernimmt China eine neue Rolle: internationale Vermittlung

Auch wenn die Sechs-Nationen Gespräche über Nordkoreas Atomprogramm keine inhaltlichen Fortschritte brachten, ein Gewinner steht fest: Gastgeber China. Pekings Diplomatie ist es zu verdanken, dass sich Nordkorea und die USA überhaupt an einen Verhandlungstisch gesetzt haben. Monatelang waren chinesische Diplomaten durch die Welt gereist, um das multilaterale Treffen vorzubereiten. In Peking ist man deshalb zufrieden. Mit den Korea-Gesprächen konnte sich China erstmals in einer neuen Rolle als Friedensvermittler präsentieren.

Frieden? Pjöngjang hat zwar am Wochenende erklärt, dass es an weiteren Gesprächen mit den USA kein Interesse habe und weiter an der Atombombe arbeiten werde. Aber dies sind vor allem taktische Äußerungen. Pjöngjangs Regime ist bekannt für radikale Drohungen, die es nicht wahr macht. Tatsächlich hat Nordkorea keine andere Wahl, als weiter zu verhandeln. Das hungernde Land ist wirtschaftlich von China abhängig, und Peking will die Sechs-Nationen- Gespräche fortführen.

Dass China sich so stark in einem Konflikt außerhalb seiner Grenzen engagiert, ist neu. In der Vergangenheit hatte es sich aus internationalen Krisen herausgehalten. Bis Anfang der Achtziger Jahre verfolgte die Volksrepublik eine zurückhaltende Außenpolitik. Die Sechser-Gespräche sind deshalb ein Zeichen für einen Wandel in Pekings Selbstverständnis. Nach zwei Jahrzehnten Wirtschaftswachstum ist China zu einer regionalen Großmacht gewachsen und bereit, international Verantwortung zu übernehmen.

Chinas wirtschaftliche und geopolitische Interessen sind heute so weit gefächert, dass es sich aus internationalen Konflikten kaum heraushalten kann. Weil es für seine Energieversorgung große Mengen Erdöl benötigt, ernannte Peking im vergangenen Jahr zum ersten Mal einen Sonderbeauftragten für den Nahen Osten. Ähnliche Motive verfolgte Peking zu Jahresbeginn beim diplomatischen Ringen mit Amerika um den Irak-Krieg. Auch in Korea verfolgt China strategische Eigeninteressen. Peking will ein atomares Wettrüsten in Asien verhindern und zugleich das befreundete Regime in Nordkorea vor dem Kollaps schützen.

Ganz freiwillig übernahm Peking die diplomatische Federführung im Atomstreit jedoch nicht. Bis Ende 2002, als sich der Konflikt zwischen Pjöngjang und Washington zuspitzte, hielt sich China heraus. Für Peking war die Atomkrise ein bilaterales Problem zwischen den USA und Nordkorea. Erst als Washington den Druck auf Peking Anfang des Jahres deutlich erhöhte und China in Verdacht geriet, Nordkoreas Atomdrohungen zu decken, wurde Peking aktiv. Diplomaten reisten nach Pjöngjang. Unbestätigten Berichten zufolge wurde die Erdölpipeline nach Nordkorea zeitweise unterbrochen. Erst unter diesem Druck stimmte Nordkorea, das von Lebensmittel- und Energielieferungen aus China abhängig ist, den Sechser-Gesprächen in Peking zu.

Auch in Zukunft wird China die Schlüsselrolle spielen. Die Sechser-Gespräche über Nordkoreas Atomprogramm werden wohl schon bald fortgesetzt – weil Peking es will. Chinesischen und südkoreanischen Medienberichten zufolge soll vermutlich innerhalb von zwei Monaten die nächste Verhandlungsrunde in Peking stattfinden. Ob es dabei zu einer Annäherung kommen wird, ist offen. Peking will nur ein Gesprächsforum bieten. Die Aufgabe, den Konflikt zu lösen, überlässt es den streitenden Parteien Amerika und Nordkorea.

Harald Maass

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