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Meinung: Der Kommissar geht um

Verheugens Klage über zu große Macht der EU-Beamten ist ein Ablenkungsmanöver

In Brüssel ballt sich viel politische Macht. Und wo sich politische Macht ballt, da kommt es immer wieder zu demselben Phänomen: Oben sitzen die, die ihre Macht der Politik verdanken. Sie kommen und gehen. Darunter gibt es ein Heer von Beamten. Sie bleiben. Und weil das so ist, halten sie sich für die Mächtigeren.

Eigentlich ist es nichts Neues, dass der Brüsseler Beamtenapparat in der EU-Kommission jeden neuen Kommissar und jede neue Kommissarin gern schon einmal spüren lässt, wo das Fachwissen eigentlich zu Hause ist. So gesehen, gehört der Machtkampf, über den sich EU-Kommissar Günter Verheugen beklagt, gewissermaßen zum System. Doch seit Verheugen mit seiner Klage über den übermächtigen Beamtenapparat an die Öffentlichkeit ging, ist die Stimmung in Brüssel mächtig gesunken – und Kommissionschef José Manuel Barroso hat ein Problem.

Denn der Portugiese muss einerseits den deutschen Industriekommissar in Schutz nehmen, mit dem er ein ehrgeiziges Ziel – die Abschaffung unnützer Regeln in der Europäischen Union – teilt. Andererseits darf er auch die 20 000 Beamten nicht aus dem Blick verlieren, die tagtäglich in Brüssel ihren Dienst versehen. So spricht er nebulös von einer „kreativen Spannung“ zwischen den Kommissaren und der Beamtenschaft. Sein Bekenntnis zu den eigenen Leuten könnte deutlicher sein.

Das Ziel Verheugens, EU-Gesetze zu vereinfachen, ist aller Ehren wert. Man muss sich dennoch fragen, was ihn dazu trieb, öffentlich die Beamtenschaft zu attackieren. Der Wunsch, auch die Personalpolitik in den Generaldirektionen stärker zu beeinflussen als bisher, dürfte es wohl allein nicht sein. Über diese Macht verfügen die Kommissare schon jetzt nicht zu knapp. Viel näher liegt da der Verdacht, dass sich Verheugen im Grunde seines Herzens nach einem glanzvollen außenpolitischen Portfolio zurücksehnt, wie er es in seiner Zeit als Erweiterungskommissar schon einmal innehatte.

Es ist unbestritten, dass die Debatte darüber, wie viel Bürokratie die Brüsseler EU-Zentrale in Zukunft noch produzieren soll, geführt werden muss. Wenn darüber aber der notwendige Zusammenhalt in der Behörde verloren geht, wäre das fatal. Denn auch so hat die EU schon Probleme genug.

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