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Janet Yellen, Chefin der US-Notenbank Federal Reserve System (Fed).

© REUTERS

Zins-Entscheidung der Fed: Der langsame Entzug

In dieser Woche könnte die amerikanische Notenbank die Zinsen erhöhen. Der Schritt wäre überfällig. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Drogen sind gefährlich. Man gewöhnt sich schnell an sie, doch von dem Zeug wieder loszukommen, ist mühselig, schmerzhaft und erfordert viel Mut.

Die internationalen Finanzmärkte sind seit Jahren im Drogenrausch. Die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank EZB überschütten die Märkte mit billigem Geld, Banken können sich bei den Zentralbanken quasi zum Nulltarif eindecken, Schulden machen ist billig. Nur wer an den Aktienbörsen zockt, kann auf ordentliche Renditen hoffen, wer sein Geld aufs Sparbuch legt oder Bundesanleihen kauft, verliert Kapital.

Wie robust ist das amerikanische Wirtschaftswachstum?

In dieser Woche dürfte sich das Blatt jedoch wenden. Wenn nicht noch völlig Unvorhergesehenes passiert, wird Fed-Chefin Janet Yellen am Mittwoch wohl endlich das verkünden, was viele schon im September erwartet hatten – die erste Zinserhöhung in den USA seit zehn Jahren.

Es wäre ein Schritt mit Folgen. Die Schwellenländer, ohnedies gebeutelt von Abschwung, Krisen und niedrigen Rohstoffpreisen müssen damit rechnen, dass Investoren nun weiteres Kapital abziehen. Solange die Zinsen in den USA und in Europa niedrig waren, haben viele Anleger ihr Geld in Brasilien, der Türkei oder Südafrika geparkt. Mit der Zinswende in den USA könnten nun aber auch US-Papiere – die deutlich sicherer sind – wieder attraktiv werden. Macht Yellen Ernst, wird es auch in China lange Gesichter geben. Ein Viertel der Kredite, die Chinas Unternehmen halten, notieren in US-Dollar. Steigen die Zinsen dort, steigt auch der Kurs des Greenback – und der Schuldendienst wird teurer.

Dennoch wird die Fed auf China dieses Mal wohl keine Rücksicht mehr nehmen – anders als im September. Nach dem Börsencrash in Schanghai und Peking hatte die Notenbank im Herbst kein Feuer ins Öl gießen wollen und die Zinsen dann doch nicht angetastet. Zudem hat die verschobene Zinserhöhung der Fed selbst Luft verschafft, die Entwicklung im eigenen Land zu beobachten. Was macht der Arbeitsmarkt? Wie robust ist das amerikanische Wirtschaftswachstum?

Wohl solide genug, um einen ersten Schritt zu wagen. Aber fragil genug, um langsam voranzugehen. Einen schnellen Entzug wird es nicht geben, die Drogenentwöhnung wird eher eine schleichende sein – auch mit Blick auf die US-Unternehmen, denen der starke Dollar das Exportgeschäft erschwert.

Doch selbst wenn sich die Fed nur in Trippelschritten bewegt, würde eine Zinserhöhung in den USA eine Zeitenwende einläuten. Denn auf lange Sicht kann sich auch Europa von dem Trend nicht abkoppeln. Zu eng sind die Wirtschaftsräume miteinander verbunden. Auch wenn EZB-Chef Mario Draghi sein Anleihenaufkaufprogramm erst kürzlich verlängert hat, eine Zinserhöhung in den USA würde auch im Euro-Raum den Anfang vom Ende der Politik des billigen Geldes bedeuten.

Für die Euro-Südländer ist das eine schlechte Nachricht, für Immobilien- und Aktienspekulanten auch. Die deutschen Sparer aber, die Millionen, die mit Lebensversicherungen für ihr Alter vorsorgen, die Anleger, die Sicherheit suchen und eine Sehnsucht nach Normalität haben, sie alle hoffen, dass Janet Yellen eines hat – Mut.

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