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Deutsche Bahn: Servicezuschlag: Wir Verbraucher, wir Deppen

Kurz vor ihrem Börsengang verprellt die Bahn ihre Kunden mit einem Servicezuschlag. Obwohl der nun verhindert wird, lassen wir uns weiter für dumm verkaufen: Fahrkartenpreise steigen, Rabatte gibt's nur im Internet. Die Dienstleistungsgesellschaft ist überhaupt keine.

In der Theorie hat die Idee ja sogar eine bestechende Logik. Wer von Menschen bedient werden will, zahlt etwas mehr, und wer mit einer Maschine vorliebnimmt und sich mit den Tücken der Technik rumschlägt, bekommt es dafür etwas billiger. Doch in der Praxis wird immer alles teurer, und am Ende zahlt der Kunde drauf, so oder so.

Es ist ja nicht so, dass der verhinderte Servicezuschlag bei der Deutschen Bahn etwas grundsätzlich Neues gewesen wäre. Überall müssen Kunden alles selber machen, ständig treffen sie auf Automaten. Wo man einst Lebensmittel über einen Tresen gereicht bekam, finden sich heute Regale, aus denen die Kunden sich ihre Artikel zusammensuchen müssen. Beratung Fehlanzeige. Personal gibt es nur an der Kasse und da auch nicht gerade reichlich. Das Discounter-Prinzip macht Karriere. Frisches, nicht abgepacktes Fleisch ist vielen schon suspekt, denn ein Haltbarkeitsdatum gibt es nur auf der plastikummantelten Ware im Kühlregal.

Der Bankkunde darf gerne am Geldautomaten Bares holen, möglichst viel, weil er dann im Zweifel satte Überziehungszinsen zahlen muss. Aber in Filialen möchte man ihn nicht mehr so gerne sehen. Und für die Überweisung, eine der ursprünglichsten Bankdienstleistungen, die man sich vorstellen kann, verlangt man Extragebühren. Die Post lässt ihre Mitarbeiter zunehmend ungern Pakete annehmen, sondern stellt dafür mannshohe Maschinen auf. Der Kunde kann in der „Packstation“ zwischen drei Größen wählen, dann tut sich wie von Geisterhand die passende Klappe auf. Fluggesellschaften möchten nicht mehr mit Gepäck behelligt werden, gebucht wird ohnehin im Internet, Tickets gibt es nicht mehr. Bald muss man vermutlich extra zahlen, wenn man nicht ein Normgewicht und eine Normgröße aufweist.

Oder erst die Gastronomie: Die belegten Pappbrötchen der amerikanischen Hamburgerketten sind nicht gerade billig, und vor allem Pommes haben Traumrenditen – trotzdem stellt sich der Gast an, wartet darauf, dass er auf Fließbandfragen Stichworte loswerden darf, um dann unglaubliche Müllberge zu verursachen, die er zum Schluss auch noch selbst entsorgen darf. Gibt es eine Ersparnis dafür, dass man alles selber macht? Nein, im Zweifel ist der Pizza-Italiener um die Ecke nicht nur netter, besser, sondern auch noch billiger. Oder Kaffee trinken: Im Café, das es vor gar nicht langer Zeit in fast jeder Straße gab, wird man freundlich bedient, bei der Coffeeshopkette kostet ein großer Milchkaffee ohne Extras um die vier Euro (also fast acht Mark!), obwohl man sogar zweimal anstehen muss: zum Bestellen und Bezahlen und dann noch mal zum Abholen.

Die Dienstleistungsgesellschaft ist überhaupt keine. Wir lassen uns alle für dumm verkaufen. Dass aber Bahn-Kunden nun dagegen gefeit wären, weil der Servicezuschlag verhindert wurde – das ist leider ein Irrtum. Denn die Bahn will den Kunden nicht am Schalter, sie will ihn im Computer oder allenfalls im – vermutlich bald voll automatisierten – Callcenter, wo er wenig Zeit kostet und kaum Ärger machen kann. Dann sind auch alle Daten da, wo sie zu Geld gemacht werden können. So werden die Fahrkartenpreise wohl stärker als erwartet steigen, aber im Internet wird es Rabatte geben. Das hätte die Bahn gleich machen können. Denn es wirkt nicht gerade schlau oder durchdacht, wenn ein Dienstleistungsunternehmen kurz vor dem Börsengang die Kunden verprellt. Woher soll denn die Rendite für die Investoren kommen, wenn sich die Kunden abwenden?

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