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Bundeskanzlerin Angela Merkel steht im Zenit ihrer Macht.

© Reuters

Die CDU nach der Wahl: Hoch lebe der Merkelismus!

Angela Merkel hat am Wahlabend triumphiert. Ihr Name wird künftig in einem Atemzug mit Konrad Adenauer und Helmut Kohl genannt werden. Doch was sie will, ist unklar. Auch ein Mehrheitsbeschaffer ist nicht in Sicht.

Ein Sieg für die Geschichtsbücher. Angela Merkel steht im Zenit ihrer Macht. Ihr Name wird in der Christdemokratie zukünftig in einem Atemzug mit Konrad Adenauer und Helmut Kohl genannt werden. Was über die Kanzlerin allerdings in den Geschichtsbüchern stehen wird, scheint noch offen.

Denn die Bilanz von Angela Merkel ist nach acht Jahren an der Macht durchaus widersprüchlich. Natürlich hat sie am Sonntag triumphiert. Sie hat es allen gezeigt, vor allem den Kritikern und Nörglern in den eigenen Reihen. Oder erinnert sich nach diesem Wahlabend noch jemand an die ach so talentierten Christdemokraten wie Norbert Rötgen, Roland Koch oder Christian Wulff. Und was macht eigentlich der schöne Plagiator Karl-Theodor zu Guttenberg?

Die Deutschen fühlen sich bei der Kanzlerin irgendwie in guten Händen, ihnen geht es gut, Deutschland geht es gut. Wen kümmert es, dass dieses Land sich in Europa auf Kosten anderer ein schönes Leben macht. Alle Versuche der linken Opposition, die Armen gegen die Reichen aufzuwiegeln, sind gescheitert. Das Wahlergebnis spricht für sich. Merkel hat die Stimmung im Lande richtig aufgenommen und hat überzeugend gewonnen. Glückwunsch.

Die CDU steht ohne Markenkern da

Trotzdem weiß auch am Tag nach der Wahl niemand, wofür CDU und CSU eigentlich noch stehen, außer für einen Wohlfühlwahlkampf in einem Wohlfühlland. Außer für eine Politik ohne Leitplanken und ohne Markenkern. Außer irgendwie für eine Energiepolitik, irgendwie für eine Familienpolitik und irgendwie für Lohnuntergrenzen sowie zufällig für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik. Außer für Angela Merkel. Hoch lebe der Merkelismus.

Im Merkelismus ist Mutti für alles da

Im Merkelismus ist Mutti für alles da, für die Haushaltskasse und für die Kinderbetreuung, für Papis Job und Omis Rente. Für die Würstchen in der Kartoffelsuppe und auch für die Streusel auf dem Kirschkuchen. Und wenn der neidische Nachbar über den Zaun steigen will, auch dann muss Mutti ran.

Nur: So schnell findet die Union keinen neuen Markenkern, nur durch den Wahlsieg erhält sie keine neuen politischen Leitplanken. Und die kommenden vier Jahre werden CDU und CSU wenig Gelegenheit finden, programmatische Grundsatzdebatten zu führen. Im Gegenteil: Nach dem Wahlsieg steht Merkel vor unpopulären Herausforderungen. Zudem verhindert der triumphale Wahlsieg die dringend notwendige personelle Erneuerung.

Wen gibt es denn noch in der CDU außer der Überkanzlerin? Alle ehrgeizigen CDU-Hoffnungsträger wurden entmannt, die Riege der christdemokratischen Ministerpräsidenten ist auf drei politische Leichtgewichte geschrumpft. Im Kabinett kämpft der bürokratische Thomas de Maizière gegen die Tücken der Bundeswehrreform und der freundliche Peter Altmaier stemmt sich gegen ein Scheitern der Energiewende. Der Rest ist Schweigen. Nur Finanzminister Wolfgang Schäuble schlägt sich auf seine alten Tage weiter wacker, aber zum Hoffnungsträger taugt er nun wirklich nicht mehr. In München lauert derweil ein selbstbewusster Horst Seehofer darauf, mit der Kanzlerin weiter seine Spielchen zu treiben.

Hinzu kommt: Auch ein Mehrheitsbeschaffer ist für den Wahlsieger nicht in Sicht. Merkel hat die SPD ein zweites Mal nach 2009 gedemütigt, die Grünen hat sie ihrer energiepolitischen Kernkompetenz beraubt. Kein Wunder, dass die SPD sich ziert, sich noch einmal auf das Abenteuer Große Koalition einzulassen. Die Grünen hingegen sind zu schwach für das schwarz-grüne Experiment. Nur ein starker Jürgen Trittin hätte seine Partei in das politische Neuland führen können, jetzt hat die Partei erstmal genug mit sich selbst zu tun.

Es mag sein, dass sich die SPD noch einmal auf eine Große Koalition einlassen wird, weil bei den Sozialdemokraten die staatspolitische Verantwortung übersiegt. Aber sie werden Rot-Rot-Grün zugleich zu ihrem neuen Projekt machen und Merkel so signalisieren, wir haben dich in der Hand. Wir können jederzeit anders.

Spätestens dann werden die Christdemokraten feststellen, dass sie für ihren triumphalen Wahlsieg am 22. September einen hohen machtstrategischen Preis bezahlt haben.

Der Union fehlt ihr traditioneller Mehrheitsbeschaffer

Das bürgerlicher Lager hat sich am Sonntag selbst amputiert. Die FDP ist an der Fünf-Prozent-Hürde zerschellt, wer weiß, ob sie den Absturz überlebt. Und wenn die Christdemokraten und Christsozialen jetzt nicht aufpassen, dann könnte in ein paar Jahren ihr altes Dogma, dass es rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe, fallen. Die AfD steht in den Startlöchern und hat mit dem Euro ein Thema, bei dem keine Bundesregierung nach rechts Zugeständnisse wird machen können.

Vielleicht also wird es die Christdemokraten in ein paar Tagen schon bitter reuen, dass sie der FDP keine einzige Leihstimme gegönnt haben. Der Union ist über den Merkelismus der selbstverständliche Mehrheitsbeschaffer im bürgerlichen Lager verloren gegangen und das liberale Korrektiv gegen die Staatsfixiertheit, die es auch bei bürgerlich-konservativen Politikern gibt.

In den kommenden vier Jahren stehen CDU und CSU nun alleine gegen drei linke Parteien. Die werden – Große Koalition hin oder her – alles daran setzen, sich so schnell wie möglich als politische Alternative zur Union zu formieren. Vielleicht also werden die Historiker in ein paar Jahren feststellen, dass der Merkelismus am 22. September 2013 zwar triumphiert, die Union sich aber zu Tode gesiegt hat.

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