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Meinung: Die guten Jahre sind vorbei

Auf einem dreitägigen Kongress will die IG Metall ihre Krise überwinden

Nun also der letzte Akt. Auf der Bühne des Frankfurter Congress Centers werden 600 Darsteller zum grandiosen Schlussbild erwartet: Nach einem tollen Sommertheater wollen an diesem Wochenende die Delegierten der IG Metall eine neue Führung wählen. Damit endlich Ruhe sei und die einmal mächtigste deutsche Gewerkschaft wieder zur Geschlossenheit finde. Doch die alte Stärke, das werden selbst die dickfelligsten Delegierten aus der hinterletzten gewerkschaftlichen Provinz spüren, wird nie wieder erreicht werden. Zu viel ist verspielt worden in den vergangenen zwei Monaten. Und zu bedrückend sind die Aussichten auf die kommenden Jahre. Die IG Metall muss Angst vor der Zukunft haben. Doch der dreitägige Kongress in Frankfurt wird im Wesentlichen der Vergangenheitsbewältigung dienen. Für einen echten Aufbruch ist es zu früh; die IG Metall hat noch zu viel Ballast an Bord.

Die Delegierten haben am Wochenende zwei Aufgaben: Diskussion über Ursachen und Konsequenzen der Arbeitskampfniederlage in Ostdeutschland und Wahl des neuen Vorstands. Wobei das schwer zu trennen ist: Mit Jürgen Peters bewirbt sich einer der Hauptverantwortlichen für den Streik um den ersten Vorsitz. Aber das spielt inzwischen keine große Rolle mehr. Weniger die Niederlage, als der Umgang mit ihr hat in den vergangenen Wochen die Gewerkschafterseelen aufgewühlt. Die drei wichtigsten Funktionäre der IG Metall boten ein erstaunliches Intrigenspiel.

Der Vorsitzende Klaus Zwickel wollte nach der Streikniederlage die Gelegenheit nutzen, um den Feind Peters als Nachfolger zu verhindern; doch Zwickel stümperte und blieb am Ende selbst auf der Strecke. Peters dagegen blieb stur, steckte jede Attacke weg und beobachtete mit Gelassenheit, wie das Lager der so genannten Modernisierer seine Unfähigkeit im Machtkampf demonstrierte. Mit Berthold Huber an der Spitze.

Der Stuttgarter IG-Metall-Chef, von Zwickel als Nachfolger ausgesucht, hatte sich im April nicht gegen Peters durchsetzen können. Daraufhin sollte Peters erster Vorsitzender werden und Huber zweiter. Auf dem vorläufigen Höhepunkt der Sommerkrise zog Huber seine Kandidatur zurück, um auch Peters mitzureißen. Das Tandem Peters/Huber gab es nicht mehr, jetzt war es nur noch eine Frage von Tagen, wann Peters demissionieren würde. Tat er aber nicht. Und weil das Huber-Lager keinen Gegenkandidaten für Peters auftreiben konnte – der IG-Metall-Chef aus Hamburg, der sich selbst ins Spiel gebracht hatte, bekam weiche Knie und schlich zurück –, kam Huber wieder auf die Bühne, stieg hinter Peters zurück auf das Tandem und verkündete, mit Peters gemeinsam die IG Metall aus dem Schlamassel führen zu wollen. Huber muss sehr an der IG Metall hängen, um diese Opferbereitschaft aufbringen zu können.

Die ganze Kabale um die drei Spitzenleute hat vielen Metallern den Atem verschlagen. Deshalb ist es nahe liegend, wenn die Delegierten auf ihrem Kongress nun Dampf ablassen wollen. Dann muss es aber auch endlich gut sein. Viel wichtiger als die Führungsdiskussion ist die Debatte über den Arbeitskampf im Osten. Wie kann die IG Metall in den neuen Ländern wieder ein Bein auf die Erde kriegen? Kommt nun die Angleichung West, also längere Arbeitszeiten in den alten Ländern? Sind die Zeiten kollektiver Arbeitszeitmodelle endgültig vorbei? Wie kann die Tarifpolitik auf Individualisierung und Differenzierung reagieren? Und spielt die IG Metall in der sozialpolitischen Reformdiskussion noch eine Rolle?

Bis die Gewerkschaft darauf zeitgemäße Antworten findet, werden noch zehntausende Mitglieder austreten. Natürlich hängt in einer zentralistisch geführten Organisation viel von den Spitzenleuten ab. Der IG Metall ging es seit Jahrzehnten nicht mehr so schlecht wie heute – vielleicht verbindet ja diese bittere Erkenntnis die ungleichen Vormänner Peters und Huber.

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