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Meinung: Die Haushaltsdebatte: Eine ganz fatale Bescheidenheit

Der Terminkalender hatte doch alles so schön arrangiert. Hier der Kanzler und seine Regierung, denen gerade erst im Parlament und dann auf zwei Parteitagen das Vertrauen eindrucksvoll ausgesprochen worden war.

Der Terminkalender hatte doch alles so schön arrangiert. Hier der Kanzler und seine Regierung, denen gerade erst im Parlament und dann auf zwei Parteitagen das Vertrauen eindrucksvoll ausgesprochen worden war. Dort die Union, am Vorabend des CDUParteitags mit ihrer ungeklärten Kanzlerkandidaten-Frage. Mittendrin der Höhepunkt einer jeden parlamentarischen Saison, die Haushaltsdebatte - stets Bühne für die große inhaltliche Generaldebatte und Forum für rhetorisches Kräftmessen. Dies alles ein knappes Jahr vor der Bundestagswahl. Spannender geht es einfach nicht.

Eigentlich. Doch dann das: ein Gipfeltreffen der müden Krieger. Gerhard Schröder schleppt sich durch einen dichten Wald von Wirtschaftsdaten, leiert lustlos ein kleines Repititorium der Steuerarten herunter - klagt, was früher schlecht gewesen, lobt, was heute besser ist. Noch etwas trostloser die Erwiderung von Angela Merkel: die gleichen Zahlen, andere Lesart. Von beiden Seiten ist indes kein einziges Wort über den Tag hinaus zu hören, nicht einmal im wörtlichen Sinn. Sicherlich gibt es viele Gründe für diese Ödnis. Dem Kanzler steckt ganz einfach noch der Kampf der vergangenen Wochen um Stimmen und Nerven in den Knochen. Und ein Vergnügen ist die große Verantwortung, die auf ihm seit dem 11. September lastet, wahrlich nicht. Zwar ist auch im vierten Jahr seiner Kanzlerschaft immer noch nicht entschieden, ob er nachhaltig an dieser Aufgabe wachsen wird. Aber seit dem Kosovo-Krieg, und so auch jetzt erneut im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, zeigt sich immer wieder: Wenn es ernst wird, wird er ernst. Und ernst ist ja nicht nur die internationale Lage. Allmählich beschwert auch die schlechte wirtschaftliche Entwicklung Schröders Gemüt. Er kann nur noch hoffen, dass ihn am Wahltag niemand daran messen wird, woran er sich messen lassen wollte: an Erfolgen bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

Vor noch nicht allzu langer Zeit hatte er ja selbst einmal unvorsichtigerweise die Messlatte beim Abbau in der Größenordnung von einer Million gelegt. Davon ist schon lange keine Rede mehr. Bangen und Hoffen richtet sich nun darauf, dass die Zahl am Ende der Legislaturperiode nur nicht höher liegt als 1998. Wäre die Union tatsächlich inhaltlich rundum erneuert, hätte sie ihre Führungsfragen geklärt, vielleicht sogar überzeugend, dann wäre es ihr ein leichtes gewesen, in der Haushaltsdebatte wieder zum Angriff auf die Regierung überzugehen. Im sicheren Vertrauen darauf, das die nächste Wahl sich an der Wirtschaft entscheidet, hätte sie nicht schlechte Chancen, Schröder zu stellen. Doch dafür müsste sie nicht nur einen gewissen Grad innerer Festigung erlangen, sondern auch kraftvoll ihre Alternativen präsentieren können. Und das ist wohl mehr als bloßes Aufsagen von Wirtschaftsdaten nach Art des guten Schülers, der fleißig seine Vokabeln gelernt hat - versetzt mit ein paar neoliberalen Worthülsen.

Wären es nur enttäuschte Erwartungen, so müsste man die wahrscheinlich langweiligste Haushaltsdebatte in der Geschichte des Deutschen Bundestags nicht lange beklagen. Es hat ja auch sein Gutes, wenn Regierung und Opposition einmal auf die großen polemischen Keulen verzichten können. Doch dieses Fehl hat auch nicht in Wirklichkeit die gespenstische Uneigentlichkeit der Generalaussprache ausgemacht. Es war auch nicht nur die allgegenwärtige Ratlosigkeit, wie der anbrechenden wirtschaftlichen Krise mit Aussicht auf rasche Erfolge Herr zu werden ist. Ebenso charakteristisch war der ganz und gar nicht zur gewöhnlichen Unbescheidenheit politischer Parteien passende Verzicht auf den Anspruch von Größe, von Vision und Alternative. Bereits die vielen Vertrauensfragen, die Rot-Grün in den vergangenen Tagen zu bestehen hatte, blickten mehr zurück, als dass sie einem Entwurf für die Zukunft gegolten hätten. Und die Union unternimmt gar nicht erst den Versuch, ihrer Kandidatenwahl den Charakter einer echten Kür und Richtungsaussage zu geben.

Für die nahende Bundestagswahl verheißt dies nichts Gutes. Nach Stand der Dinge wird sie wohl einfach nur ein Kampf um die Macht - um die Macht zur Verwaltung, nicht aber zur Gestaltung dieses Landes.

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