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Am Dienstag wurde in der Innenstadt von London gegen den G8-Gipfel demonstriert.

© AFP

Vor dem Treffen der G8 in Belfast: Die Marktwirtschaft macht Arme reicher

Es ist überraschend: Die globale Armutsrate ist seit 1990 halbiert worden. Das hängt mehr mit Wachstum als mit Umverteilung zusammen. Wenn am Wochenende beim G8-Gipfel über die Armutsbekämpfung geredet wird, muss es deshalb auch um freien Handel gehen.

Es klingt wie eine Meldung, die zwar noble Absichten belegt, aber ungehört verhallt. Zum ersten Mal haben sich die katholischen Bischofskonferenzen aller G-8-Staaten an die Staats- und Regierungschefs der führenden Industrienationen gewandt. Sie fordern, dass auf dem Gipfeltreffen am kommenden Montag und Dienstag in der nordirischen Stadt Enniskillen die Bekämpfung der weltweiten Armut ins Zentrum gestellt wird. Bedacht werden, heißt es weiter, müssten die Interessen der „Ärmsten, Schwächsten und Geringsten dieser Welt“. Ist das eine Botschaft, die in ein Ohr hinein und aus demselben wieder herausgeht – also nicht einmal die Köpfe der Verantwortlichen erreicht?

Vielleicht nicht. Zu den großen Überraschungen, man kann fast sagen Wundern der vergangenen Jahrzehnte gehört, dass die globale Armutsrate halbiert wurde. Fast eine Milliarde Menschen konnte diesem Schicksal entrinnen. Im Jahr 1990 lebten noch 43 Prozent der Bevölkerung in Entwicklungsländern in extremer Armut. Das heißt, sie hatten weniger als einen Dollar pro Tag an Kaufkraft zur Verfügung. Zehn Jahre später war es rund ein Drittel, im Jahr 2010 nur noch 21 Prozent. Wobei inzwischen als extrem arm gilt, wer 1,25 Dollar am Tag hat. Die Zahlen veröffentlichte vor kurzem das britische Magazin „Economist“.

Demnach sind die größten Erfolge vor allem in China zu verzeichnen. Durch das anhaltend große Wirtschaftswachstum dort seien zwischen 1981 und 2010 knapp 700 Millionen Menschen aus der Armut befreit worden. Als grobe Regel gilt, dass eine Steigerungsrate des Bruttosozialprodukts pro Kopf um einen Prozent die Armut im Land um 1,7 Prozent reduziert. Derselbe Trend wie in China ist, freilich auf niedrigerem Niveau, auch in Indien und Afrika zu beobachten. Die UN-Millenniumsziele, die im Jahr 2000 versprochen worden waren und eine Halbierung der Zahl der Armen bis 2015 vorgesehen hatten, wurden fünf Jahre früher erreicht.

Und warum? Weil Marktwirtschaft, Wachstum und freier Handel offenbar die Tendenz haben, sich zum Wohle aller zu entwickeln. Laut „Economist“ ist der seit Beginn der Finanzkrise so oft und so leidenschaftlich gescholtene Kapitalismus zu zwei Dritteln für die Reduktion der weltweiten Armut verantwortlich, das andere Drittel geht aufs Konto einer größeren Einkommens- und Vermögensgleichheit. Am schnellsten lässt sich Armut durch Wachstum in egalitären Gesellschaften abbauen.

Natürlich dürfen sich die G-8-Staaten – plus China, Indien und andere aufstrebende Nationen, die vom Gipfeltreffen leider immer noch ausgeschlossen sind – auf dem Erfolg nicht ausruhen. Er sollte vielmehr Ansporn sein, den Kampf gegen die Armut zu verstärken. Dazu zählt eine bessere Regulierung der Finanzmärkte ebenso wie eine größere Unternehmenstransparenz. Doch ganz oben auf der Agenda muss die Intensivierung von Freihandelsgesprächen stehen. Weniger Zölle, weniger Subventionen. Die „Ärmsten, Schwächsten und Geringsten dieser Welt“ haben es verdient.

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