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Spähaffäre und Grundgesetz: Wie zu vereinbaren?

© dpa

Die NSA-Spähaffäre und Demokratie: Die Krise des Geheimen

Offenheit und Transparenz sind Errungenschaften einer Demokratie. Das Dilemma der Geheimdienste: Sie brauchen die Geheimhaltung, um effektiv operieren zu können. Noch komplizierter wird das, wenn Grenzen überschritten werden. Die NSA-Affäre zeigt vor allem eines: Wie unzureichend die internationale Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen noch ist.

Wer in dieser Woche durch den Bundestag gelaufen ist, hätte den Eindruck gewinnen können: Hier tagen gerade alle geheim, so leer gefegt waren die Flure. Nur im Untergeschoss wimmelte es von Kameras und Journalisten. Und gerade dort kam ein Gremium zusammen, das vor allem eines scheuen soll: Öffentlichkeit. Tatsächlich lag es natürlich an der Sommerpause, dass der Bundestag so verwaist war und auch das Parlamentarische Kontrollgremium tagte geheim wie immer. Nur hatte eigentlich niemand ein Interesse daran, etwas geheim zu halten.

Das Parlamentarische Kontrollgremium ist in der Spionageaffäre rund um den amerikanischen Geheimdienst NSA zu einer Art Untersuchungsausschuss geworden, der zwar nicht öffentlich zusammenkommt, aber für die Öffentlichkeit das einzige Instrument der Aufklärung ist. Und schon daran zeigt sich, wie widersprüchlich die gesamte Situation ist: Ein zur Geheimhaltung verpflichtetes Gremium soll einen öffentlichen Skandal aufklären. Das stellt alle Beteiligten vor Probleme – vor allem die Öffentlichkeit, weil sie keine Fakten bekommt, sondern Interpretationen.

Dabei ist dieses Gremium eigentlich eine große Errungenschaft. Es macht den Unterschied aus zwischen Geheimdiensten in einem Staat mit freiheitlich-demokratischer Grundordnung und einem totalitären Regime. In beiden Staaten dienen sie dem Souverän. Nur ist es hier das Volk und dort ein autoritärer Staat.

Und, so die Idee, der Souverän kontrolliert seine Dienste, die für ihn ja auch die Drecksarbeit machen müssen. Deshalb hat das Kontrollgremium im Bundestag besondere Befugnisse, aber auch besondere Auflagen. Denn Geheimdienste hantieren auch mit Informationen, die Menschenleben nicht nur retten, sondern in heiklen Fällen auch gefährden können, weshalb sie auf Vertraulichkeit angewiesen sind. Es gibt aber eine Ausnahme: wenn Geheimdienste selbst in der Kritik stehen und es für sie selbst unangenehm wird. Dann ist Vertraulichkeit der falsche Ratgeber, auch für die eigene Verteidigung.

Insofern offenbart die Spionageaffäre nicht zwingend eine Krise der Geheimdienste, sondern eine Krise des Geheimen an sich. In jeglicher Hinsicht. Für Geheimdienste wird es gerade in Demokratien immer schwieriger, ihre Arbeit zu rechtfertigen, weil der Ruf nach Öffentlichkeit immer lauter wird. Zum Glück, denn Offenheit und Transparenz sind Errungenschaften einer Demokratie.

Nur sind Geheimdienste gleichzeitig auf einen Tätigkeitsbereich unterhalb der Oberfläche angewiesen, weil Transparenz und Offenheit auf der anderen Seite keine besonderen Merkmale des modernen Terrorismus sind. Ohne geheime Operationen wird auch eine effektive Terrorabwehr schwieriger.

Aber auch für den Bürger ist Geheimhaltung nicht mehr so leicht herzustellen wie früher. Ein einfacher Briefumschlag reicht nicht. Je globaler die Datenströme werden, je vernetzter das Leben und je weiter der technologische Fortschritt, um so leichter wird es, die Daten abzufangen – egal, ob vom Geheimdienst, dem Arbeitgeber oder der Versicherung. Insofern schließt sich der Ruf nach Freiheit und Sicherheit im Netz, nach Transparenz und Verschlüsselung nicht aus. Beides bedingt sich. Radikale Geheimhaltung ist kein Mittel des digitalen Jahrhunderts mehr.

Während Geheimdienste in autoritären Staaten nur einem Auftrag folgen, der Machtsicherung des Regimes, gibt es in demokratischen Staaten eine Fülle an Gesetzen, die den Spielraum der Geheimdienste bestimmen. Nur sind das alles in der Regel nationale Gesetze auf unterschiedlichem Niveau, die dann eben auch nationalstaatlich verstanden werden. Das Aufgabengebiet der Auslandsgeheimdienste ist jedoch global und auch die inländischen Geheimdienste haben es mit Terroristen und Terrororganisationen zu tun, die ihre Wurzeln nicht immer im Inland haben.

Nicht einmal in den politisch kooperierenden Ländern des Westens herrschen einheitliche Standards. Im Zweifel ist sich jeder, auch jeder demokratische Staat selbst am nächsten. Das führte zu einer Art Gentlemen-Agreement: Wir achten auf unsere inländischen Gesetze, aber im Ausland wissen wir, dass wir die dort geltenden Gesetze brechen. Dass Bürgerrechte aber globale Rechte sind, wenn auch nicht ausformulierte, fällt dabei unter den Tisch. Die Spionageaffäre macht also auch deutlich, wie unzureichend die internationale Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen noch ist.

Aus ihr zu schlussfolgern, dass Geheimdienste abgeschafft werden sollten, ignoriert das Problem. Denn wer für Abschaffung plädiert, muss erklären, wie er Sicherheit organisieren will. Die Aufgaben der Dienste in Polizeihand zu legen, birgt – wie man aus der Geschichte weiß – Gefahren. Vielmehr ist es an der Zeit, das zu stärken, was Geheimdienste in Demokratien zu etwas Besonderen macht: die Kontrolle und der Mut zur Offenheit, vor allem, wenn es um die eigene Sache geht.

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