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Roland Jahn, Ex-Bürgerrechtler: "Die sind zu allem fähig"

Er wird vermutlich der nächste Chef der Behörde für Stasi-Unterlagen: Ex-Bürgerrechtler Roland Jahn im Porträt.

Von Matthias Meisner

Es läuft alles auf ihn hinaus. Im März 2011 endet die Amtszeit von Marianne Birthler als Chefin der Behörde für die Stasi-Unterlagen. Und es ist ziemlich klar, dass Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) den besten Kandidaten gefunden hat – Roland Jahn, SED-Gegner, Bürgerrechtler, im Alter von 29 von der Stasi wegen anhaltender Renitenz gewaltsam in den Westen verschleppt, nun Journalist beim ARD-Magazin „Kontraste“. Das Einverständnis der zuständigen Fachpolitiker aus der Union gibt es bereits, die Opposition ist parteiübergreifend angetan, und auch Amtsinhaberin Birthler freut sich offenbar auf einen glaubwürdigen Nachfolger.

Gehandelt worden war auch der Berliner Oberkirchenrat und frühere Behördensprecher David Gill. Der Name Ulrike Poppe fiel, obwohl die sich erst kürzlich zur Stasi-Aufklärung im rot-rot regierten Brandenburg hat verpflichten lassen. Bei Günter Nooke (CDU) gab es Zweifel, ob er die breite Mehrheit im Parlament würde überzeugen können.

Bei Jahn überzeugt die Biografie. Der gebürtige Jenaer, heute 57, begann 1975 ein Studium der Wirtschaftswissenschaften, nach seinem öffentlichen Protest 1977 gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns kam er heftig mit dem System in Konflikt, musste sich als Transportarbeiter „in der Produktion bewähren“. Der Tod seines Freundes Matthias Domaschk 1981 in der Stasi-Untersuchungshaftanstalt Gera treibt ihn an zu fantasievollen Protestaktionen. Bei der 1.-Mai-Kundgebung 1982 schminkt er sich halb als Hitler, halb als Stalin, kommt so zur Tribüne. „Da ist die Stasi wieder einmal durchgedreht.“ Im Herbst des gleichen Jahres wird er verhaftet, zu 22 Monaten Gefängnis verurteilt – es hagelt international Proteste, und nach zwei Monaten kommt er frei. Als er sich weiter für die Opposition engagiert, wird er am 8. Juni 1983 gewaltsam ausgebürgert, in Knebelketten zum Grenzbahnhof gebracht und im letzten Abteil des nächsten Interzonenzuges nach Bayern eingeschlossen.

Jahn wollte die DDR verändern. Kein Bürgerrechtler, sagt er, habe mit wehenden Fahnen in den Westen gewollt. Aber er hat nach eigenen Worten gemerkt: „Die sind zu allem fähig.“ Angekommen in West-Berlin, unterstützte er dort die DDR-Opposition, indem er ihre Aktivitäten und die staatliche Repression dagegen öffentlich machte. Und als Biermann nach der Wende erstmals wieder in die DDR einreiste, war Jahn natürlich dabei.Matthias Meisner

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