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Stasi-Debatte: Die Usurpatoren

Die Debatte zum Stasibericht im Landtag Brandenburg wurde zum Missbrauchsfall

Was war das am Mittwoch im brandenburgsichen Landtag? Eine Debatte über die Stasivergangenheit von Abgeordneten? Eine Debatte über den ersten transparenten Überprüfungsbericht einer unabhängigen und kompetenten Kommission? Eine Debatte um das Selbstverständnis des Landesparlaments und seinen Umgang mit den belasteten Mitgliedern? All das war es nicht. Es war – mit Ausnahmen – eher ein Armuts- denn ein Anstandszeugnis, das sich der Landtag ausgestellt hat.

Fangen wir an mit der CDU. Noch vor Wochenfrist postuliert die Partei- und Fraktionschefin aggressiv die Stasifreiheit des Parlements als Ziel. Und nun? Nun macht sich ihr Generalsekretär – das Stasi-Opfer – Dieter Dombrowski freiwillig zum Nothelfer des rot-roten Bündnisses und hilft ihm aus der Zwickmühle, in der es angesichts der Wahrnehmungsstörungen einer Gerlinde Stobrawa und den Forderungen nach einem Mandatsverzicht dieser Dame aus der SPD steckt. Dombrowski wollte Hehres und erreichte Verheerendes. Sein Entschließungsantrag sollte den Opfern Genugtuung verschaffen und hat sie tatsächlich für einen faulen Kompromiss missbraucht. So usurpierte die CDU die Opfer.

Zur SPD ist nicht allzu viel zu sagen. Sie hat ein Regierungsbündnis mit einer Partei zu retten, deren Personal ihr 2009 offenkundig weitgehend unbekannt war. Weil man damals das Neue nicht sah, will man es jetzt auch nicht weiter sehen müssen. Also gibt es nichts Neues, weil es nichts Neues geben darf. Insbesondere natürlich im Fall Stobrawa. Und weil die Sozialdemokraten beim Rückblick ins Schleudern kommen würden, verordnen sie sich selbst und allen anderen den starren Ausblick in das, was sie Zukunft nennen. Das ist ihre Art der Usurpatrion – jetzt nur schnell vorwärts, kein Schulterblick mehr zurück.

Damit zur Linken. Die wird in ihrer Form der Besitzergreifung ganz radikal. Die schlägt in Anspielung eines PNN-Beitrags der CDU-Chefin Saskia Ludwig zurück mit ihrem Vize Stefan Ludwig, der reden musste, weil die Stasi-beschwerte Kerstin Kaiser ja nicht reden kann. Linke-Ludwig also greift sich jenen Vaclav Havel, den CDU-Ludwig in die Debatte einführte. Als der spätere tschechische Bürgerpräsident noch tschechoslowakischer Bürgerrechtler war und im realsozialistischen Gefängnis fast verreckte, waren die Kaisers, Tacks und Christoffers noch ganz auf Linie und Vaclav Havel eine Gefahr für ihren Sozialismus. Und jetzt dient er nicht nur als Vorbild, er soll auch den Nachweis liefern, dass aus Stasi-Spitzeln Wohltäter werden können. In ihrer schamlosen Fähigkeit zur Inbesitznahme ist die Linke tatsächlich allen anderen weiterhin Brauhaushoch überlegen. Havel ist ja seit ein paar Monaten tot und kann sich auch nicht mehr wehren gegen diese Form der Inanspruchnahme.

Und dann gibt es da noch die alten Männer des Landtags und ihren Zugriff auf die Jugend. Da stehen zwei Führungsherren der SPD nach der Debatte hinter den Kulissen und sprechen der 30-jährigen FDP-Abgeordneten Linda Teuteberg das Recht ab, sich über die DDR-Zeit und die Verstrickungen von Parlamentskollegen von ihrem Standpunkt aus ein eigenes Urteil zu bilden. Wenn alles nicht mehr hilft, greift man sich das Alter des Kritikers – und stieht eigentlich selbst nur verdammt alt aus. Regierungschef Platzeck hatte schon die Chuzpe, dies Teuteberg gegenüber parlamentsöffentlich zu machen. Dass Parlamentsspräsident Gunther Fritsch (SPD) es nicht einmal mehr schafft, Teuteberg von dem ähnlich klingenden Wald zu unterscheiden, sei als Petitesse abgetan. Respekt aber geht in jedem Fall anders. Die Vergangeheit jedenfalls kann nicht nur von alten oder älteren Männern usurpiert werden. Davon gab es in der DDR nun wahrlich schon genug. Von jungen, die Theorie und Praxis miteinander verglichen und fragten, gab es deutlich zu wenig.

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