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DDR: Ein bisschen Rechtsstaat ...

... gab es sogar im DDR-Unrechtsstaat – eine notwendige Ergänzung.

Der Begriff klebt an der Debatte wie Pech an den Schuhen. Denn der Streit, ob die DDR ein Unrechtsstaat war, ist zu einem Instrument der politischen Auseinandersetzung geworden. Diejenigen, die das Urteil ablehnen, stehen in dem Verdacht, sich bei den Bürgern im Osten lieb Kind machen zu wollen und auf die Stimmen der Linkspartei zu spekulieren. Das Pochen darauf, dass die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen sei, bekommt dagegen einen Unterton von Gesinnungstest: Wer sich dazu nicht bekennt, weckt Zweifel an seiner Haltung gegenüber der DDR-Diktatur.

Aber soll man sich mit der Einsicht beruhigen, dass dies eben die Mechanismen des politischen Kampfes sind, bei denen es nicht darauf ankommt, wie es sich mit der Sache selbst verhält? Dagegen steht, dass es für das vereinigte Deutschland wichtig ist, wie es mit dieser Auseinandersetzung umgeht. Denn das sagt etwas über unser Verhältnis zu der Vergangenheit aus, die DDR heißt.

Natürlich war die DDR ein Unrechtsstaat. Aber die Feststellung verführt zu dem Schluss, damit sei alles über sie gesagt. Und allzu viele geben dieser Verführung nach. Damit verstellt dieses Urteil den Zugang zur Lebenswirklichkeit der DDR, und wenn etwas an dem Schlagabtausch über diesen Begriff ärgerlich ist, dann ist es die dahinter sichtbar werdende Unfähigkeit, ja, der Unwille, sich auf diese Lebenswirklichkeit einzulassen. Verfehlt wird die Ambivalenz des Lebens in der DDR. Und es ist dieses intellektuelle und gefühlsmäßige Versagen, das dazu führt, dass die Feststellung des Unrechtsstaats-Charakters der DDR zum Vehikel eines allgemeinen Unwert-Urteils über die DDR wird.

Es gab nämlich mehr – und vor allem: andere – Dinge zwischen Unrechtsstaat und Alltag in der DDR, als ein gehöriges rechtsstaatliches Bewusstsein in der Bundesrepublik von heute für möglich hält. Es geht da nicht so sehr um die Stärken der DDR, die sich bei näherem Hinsehen zumeist nicht als so bedeutend herausstellen, als vielmehr um das Arrangement, das die Menschen mit dem Staat eingingen, notgedrungen, aber faktisch eben doch. Die rechtsförmigen Ebenen, die die DDR auf den verschiedenen Gebieten des zivilen Lebens ausbildete, gehören dazu. Gewiss, das Familienrecht oder die Straßenverkehrsordnung machen aus der DDR noch keinen Rechtsstaat. Aber sie begrenzen die Unrechtsstaatlichkeit, die sie in Bezug auf das Große und Ganze ihrer Struktur kennzeichnete. Und diese Perspektive ist es, die den Horizont des Alltagslebens bestimmt. Kann man da nicht über ein bisschen Rechtsstaat froh gewesen sein, obwohl es den nach dem Ratschluss der Gelehrten nicht gibt?

Das sind Selbstverständlichkeiten? Die Debatte zeigt, dass sich ihre Tragweite nicht wirklich von selbst versteht. Also bleibt die schwierige Aufgabe, der Wirklichkeit des Lebens in der Diktatur im Urteil gerecht zu werden. Sie ist ein Teil der deutschen Vereinigung, und sie ist angewiesen auf die Anstrengung der Differenzierung, auch noch zwanzig Jahre nach dem Ende der DDR.

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