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Jost Müller-Neuhof ist rechtspolitischer Korrespondent des Tagesspiegels. Seine Kolumne "Einspruch" erscheint jeden Sonntag auf den Meinungsseiten.

© Kai-Uwe Heinrich

Ein SPRUCH: Alles Theater

Die Maskerade im Namen des Volkes steigert Ansehen und Autorität. Dennoch ist die Anwaltsrobe aus der Zeit gefallen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Es kann heiß darunter werden. Schurwolle mit Kunstseidenbesatz, alles in Schwarz – man kann Rechtsanwälte gut verstehen, die ihre Robe in der Garderobe lassen wollen, zumal in diesen Tagen. Allein, sie dürfen nicht. Das Landgericht Augsburg hat jetzt die Klage eines Advokaten zurückgewiesen, der ohne Robe zu einem Termin erschienen war (Az.: 031 O 4554/14). Das Gericht weigerte sich, zu verhandeln. Damit war die Anreise umsonst, und die Schadensersatzklage des Mannes war es jetzt auch. Gewohnheitsrecht, argumentierten die Richter. Nicht nur Richter und Staatsanwälte, auch Rechtsanwälte hätten eine Tracht zu tragen, um sie als „Organe der Rechtspflege“ kenntlich zu machen, die sie laut Gesetz sind.

Dabei verwechselt das Gericht Gewohnheit mit Recht. Das Recht – in diesem Fall die geltende Berufsordnung – statuiert die Robenpflicht nur „soweit dies üblich ist“. Und dann folgt eine Klarstellung: „Eine Berufspflicht zum Erscheinen in Robe besteht beim Amtsgericht in Zivilsachen nicht.“ In dem entschiedenen Fall war es jedoch ein Termin vorm Amtsgericht in Zivilsachen. Die Augsburger Richter meinen trotzdem, allein ihre forensische Üblichkeit zähle. Berufsordnung? Ist egal.

Bodenlangen Berufsburka

Eine Posse, stünde dahinter nicht die wichtige Frage, wie viel Dramaturgie und Inszenierung noch nötig sind, wenn Recht gesprochen wird. In fast allen europäischen Staaten trägt die Justiz Robe. Die scharlachroten Roben der Verfassungsrichter in Karlsruhe hatte einst ein Kostümschneider des badischen Staatstheaters entworfen. Ohne fremde Hilfe können die Richter sie kaum anlegen. Die Maskerade im Namen des Volkes steigert Ansehen und Autorität.

Dennoch ist die Anwaltsrobe aus der Zeit gefallen. Im Amtsgericht, vor den Sozial- und Arbeitsgerichten wird sie immer seltener, in Berlin taucht sie dort fast gar nicht mehr auf. Niemand braucht sie. Die großen Gesten sind einer unaufgeregten Sachlichkeit gewichen, die auf Schauspiel verzichten kann. Und wenn nicht, dann kann ein guter Anwalt das zur Not auch ohne Robe.

Dennoch, einige Richter (und Anwälte) wollen sich damit nicht abfinden. Sie schwören auf die große Tradition, sich wie Kleriker und früher Professoren unter einer bodenlangen Berufsburka verhüllen zu dürfen. Bei Richtern hat es einen guten Sinn, sie repräsentieren die Staatsmacht, ebenso wie Ankläger. Doch Anwälte stehen an der Seite ihrer Mandanten. Sie sind Zivilisten wie sie und sollen dies auch zum Ausdruck bringen dürfen. Nur in einem Justizbereich sollte die Robe bleiben: im Strafgericht. Hier kommt kein Mandant freiwillig hin. Hier geht es nicht um Interessen, Vorteile oder Ansprüche, hier geht es um einen Schuldvorwurf. Der Staat gegen den Einzelnen. Da verspricht die Robe Stärke und Schutz. Alles Theater. Aber es hilft.

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