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Ein SPRUCH: Klagen wir sie an

Im Fall Schavan wird der Universität zu viel Macht eingeräumt. Ob die Ministerin zurücktreten muss, entscheidet die Öffentlichkeit - oder ein Gericht.

Ob der Skandal um einen Politiker zu dessen Rücktritt führen sollte, entscheidet sich in einer Demokratie nicht nach Regeln, sondern fallweise. Es entscheiden mit: die befreundeten Politiker und deren Gegner, die Medien, die Umfragen, nicht zuletzt der oder die Betroffene selbst und schließlich allerlei von dem, was man Zeitgeist oder Stimmung nennt. Häufig kommt auch die Justiz ins Spiel.

In den Skandalen um plagiierte Doktorarbeiten sind zwei neue Phänomene aufgetaucht. Sie werden in der Diskussion um Bundesbildungsministerin Annette Schavan und ihre Arbeit „Person und Gewissen“ besonders augenfällig. Zum einen wird Universitätsgremien eine wichtige Rolle zugeschrieben, weil ihr Urteil über den Titelentzug hinaus auch das politische Schicksal bestimmen soll. Zum anderen ist jeder Skandal wunderbar transparent. Die Plagiatsfahnder im Internet leisten die Vorarbeit, die Dissertationen stehen in den Regalen, die Beteiligten mauern nicht – sie können gar nicht. Die Plagiatsfälle sind Skandale, wie sie sich eine Demokratie nur wünschen kann.

Worauf warten wir? Tatsächlich, auf den Fakultätsrat, der am Dienstag wieder zusammentritt. Dann gibt es Neues oder auch nicht. Wir warten. Das war schon ärgerlich bei Guttenberg. Der Mann war als Hochstapler überführt, doch erst musste die Uni noch ihr Votum sprechen.

Uni-Kommissionen sind keine Gerichte, sie sind nicht einmal eine Staatsanwaltschaft. Sie haben keine privilegierten Ermittlungsrechte, und ihre abschließenden Verfügungen sind Verwaltungsakte und keine Urteile. Es können darin neben Experten ihres Fachgebiets auch Studenten sitzen, Gleichstellungsbeauftragte oder Bibliotheksangestellte. Bei allem Respekt, ihre politischen Einsichten führen nicht weiter als die unseren. Sie mögen sachkundig über den Titelentzug entscheiden können. Ob Frau Schavan eine Betrügerin ist oder nicht, sollten und können wir selber wissen. Jedenfalls wenn wir uns ein wenig Mühe geben.

Es wäre schön, wenn eine demokratische Gesellschaft ihr im Kern moralisches Urteil über Politiker in berechtigter Sorge um die nötige Fairness an Institutionen delegieren könnte. Nur wird das nie klappen, auch nicht mit einer Zentralstelle für den Titelentzug und bundesweit geltenden Regeln, wie sie manche jetzt fordern. Denn jeder Fall liegt anders. Die Öffentlichkeit muss sich zu ihm eine Meinung bilden, nicht ihr Verwaltungsapparat.

Wenn die Universität der Ministerin ihren Titel entzieht, werden sich in den Medien und der Politik die Blockaden lösen. Dann werden die Rücktrittsrufe laut und die Kommentatoren mutig. Die politische Schlacht beginnt. Emanzipierter wäre, jetzt damit loszulegen – oder später zu schweigen. Und wenn man schon eine Institution braucht, um sich dahinter zu verstecken, sollten es – bei derart streitbaren Fällen – besser die Gerichte sein.

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