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Miley Cyrus in einem Video.

© mileycyrus.com

Ein SPRUCH: Liebe löschen lassen

Wer sich trennt, soll laut Gerichtsurteil auch alle Nacktbilder von der/dem Ex löschen. Doch ein verlassener Geliebter ist keine Suchmaschine

Es wird immer komplizierter mit dem Bild. Egal welchem. Mit dem, das man sich von anderen macht, dem von sich selbst, dem, das andere sich von einem machen. Die Vertextung der Persönlichkeit durch Social Media, das Fotohandy, die Selfie-Lust, dazu neue Formen von Massenmedienökonomie und Aufmerksamkeitsaggregatoren: Der Streit ums Selbst und das Bildnis davon wird mit dem Google-Urteil genauso wenig erledigt sein wie mit dem Vorhaben der Regierung, bloßstellende Fotos zu verbieten.

Löschen ist keine Lösung. Jedenfalls nicht immer. Daten können persönliches Eigentum sein, auch wenn sie das Bildnis anderer zeigen. Das will man sich nicht einfach nehmen lassen. Umgekehrt können Daten Quellen sein, aus denen jedermann schöpfen soll. Doch keine Dialektik führt zu einer Antwort auf die Frage, mit der sich jetzt das Oberlandesgericht Koblenz befasst hat: Welche Daten sind zu löschen, wenn Schluss ist mit der Liebe?

Geklagt hatte die Exgeliebte eines Fotografen. Er hatte viele Bilder von ihr gemacht, als sie noch zusammen waren. Die Frau wollte sie löschen lassen, zumal die Kamera oft bei der Liebe dabei war. Das Paar wollte es so. Die Richter ordneten an, der Mann dürfe Filme und Fotos behalten. Er müsse aber alle löschen, die seine frühere Gefährtin nackt oder nur mit Unterwäsche zeigen – und alle, auf denen sie „vor/während oder im Anschluss an den Geschlechtsverkehr abgebildet ist“.

Abgesehen von der Schwierigkeit, solche Szenen treffsicher zu identifizieren, umschifft das Urteil die Bedeutung des Einverständnisses. Nun ist es eben zu Ende, sagen die Richter, die Dinge hätten sich geändert: ein zulässiger Widerruf. Doch ist ein verlassener Geliebter eine Google-Suchmaschine, an der das Recht auf Vergessen zu vollstrecken ist? Die Liebe bringt es mit sich, dass Menschen sich vereinigen und teilen. Eine Trennung macht davon nichts ungeschehen. Es sind gemeinsame Bilder. Aber sie gehören dem Fotografen.

Das Urteil unterstellt, dass früher oder später alles ins Netz kommen wird. Man glaubt, vorbeugen zu müssen. Dabei soll es Menschen geben, die sich an den Bildern ihrer (früheren) Geliebten erfreuen können, ohne sie online zu stellen. Vermutlich sind es sogar die meisten. Wenn die Bilder doch ins Netz gelangen, steht den Opfern das Recht zur Seite. Ein Präventionsbedürfnis in diese intime Angelegenheit hineinzuinterpretieren, hieße, die Menschheit schon am Netz-Abgrund zu sehen. Das Urteil möchte zeitgemäß sein. Dann hätte es feststellen müssen, dass eine Frau, die für ihren geliebten Fotografen (!) nackt posiert, um die Risiken wissen wird, auf ewig in seinem Privatarchiv zu landen. Die Richter erklären sie statt dessen zum Dummchen, das nun gerettet werden muss, und machen das Internet zum Ungeheuer. Der Schritt nach vorn, er ist einer zurück.

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