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Ein SPRUCH: So geht man baden

Einfache Lösungen für schwierige Rechtsprobleme kann man sich nähen lassen, meint der Hessische Verwaltungsgerichtshof. Und zwar aus der Kunstfaser Elastan.

Einfache Lösungen für schwierige Rechtsprobleme kann man sich nähen lassen, meint der Hessische Verwaltungsgerichtshof. Und zwar aus der Kunstfaser Elastan. Vor einer Woche hat er ein muslimisches Mädchen zum schulischen Schwimmunterricht verpflichtet, weil eine einfallsreiche Designerin vor ein paar Jahren den Burka-Bikini („Burkini“) erfunden hatte. Der Ganzkörperanzug mit angenähter Badekappe lässt Gläubige schariakonform ins Wasser gehen.

Also spring!, rieten die Richter dem Mädchen, tauche ein in die Tiefen der „säkularen und pluralistischen Gesellschaft in Deutschland“ und begegne dort einer „Vielzahl von Verhaltensweisen, Wertvorstellungen und Überzeugungen“, auch wenn du sie für dich ablehnen magst. So in etwa formuliert das Urteil, das wohl demnächst das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig beschäftigen wird. Denn dort hatte man vor knapp 20 Jahren entschieden, bei Befreiungen gläubiger Muslima vom Sportunterricht eher großzügig zu sein.

So pragmatisch die Kasseler Richter nun sein wollten, so weltfern erscheinen sie. Manche Fünftklässlerin – wie es hier um eine ging – hat am Eintritt der Pubertät ganz ohne Islam genug mit ihrem Körper zu tun, um von der kulturellen Segnung eines koedukativen Sport- und Schwimmunterrichts nicht durchweg überzeugt zu sein. Ein unzeitgemäßer Einwand vielleicht, doch ging es dem Mädchen zudem nicht nur um Verhüllung des eigenen Körpers, sondern den Anblick der anderen. Wie soll hier die Lösung aussehen? Soll sie sich ihre Burkinikappe über die Augen ziehen?

Nein, meinen die Richter, die Nackten gehören ja gerade zu den Verhaltensweisen und Wertvorstellungen der säkularen und pluralistischen Gesellschaft, die das Mädchen kennenlernen soll. Mit diesem Argument könnte man die Schülerin allerdings auch verpflichten, sich Mohammed-Karikaturen anzuschauen, um sich ein Bild von der Reichweite unserer Meinungsfreiheit zu verschaffen.

Es bleibt also eine schwierige Abwägung. Der Burkini kann Teil einer Lösung sein oder neue Probleme schaffen, man weiß es nicht. Mancher mag es schwer fallen, sich als einzige Vollverhüllte den Blicken der anderen auszusetzen. Andererseits ist aus der Schule des Mädchens zu hören, dass einige sich mit dem Burkinikompromiss beim Pflichtschwimmen arrangiert haben; schlussendlich vor Gericht gezogen ist nur diese eine.

Leider neigen die Schulen dazu, wie auch im Berliner Gebetsraumstreit, Fundamentalismus mit Fundamentalismus zu beantworten. Wenn neun Mädchen mit Burkini schwimmen, warum sollte man die Zehnte nicht befreien, wenn sie oder die Eltern es unbedingt wollen? Weshalb muss jeder Integrationskonflikt als Prinzipienstreit ausgetragen werden? Wer den Burkini für ein Musterkleid hält, sollte darin einmal selbst baden gehen.

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