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Ein SPRUCH: Zahlen, bitte

Christian Wulff soll bitte zahlen, denn wenn es zum Prozess kommt, werden die Medien voll davon sein. Und am Ende tut Wulff uns noch wirklich leid.

Joachim Gauck ist, auch Nicht-Gauckianer müssen es gestehen, in der Wortwahl trittsicher vom Tag eins seiner Präsidentschaft an. Zuweilen stampft er nur zu heftig auf. Etwa wenn er „Tugendfuror“ beklagt, weil Frauen es blöd finden, von blöden Männern blöd angemacht zu werden. Oder ihm Vorgänger Christian Wulff, von dessen „Schicksal“ er „bewegt“ zu sein angibt, ihm dazu noch „menschlich leid“tut. Was sollten wir denn als Nächstes für ihn tun? Beten?

Es wäre angemessen, wenn sich ein Staatsoberhaupt für einen derartigen Affärenfall einer schlankeren Rhetorik bediente. Wulff hat jederzeit einen neuen Hauskredit und irgendwann auch ein politisches Comeback verdient, jedoch sicher kein Mitleid.

Trotzdem muss Gauck einen Ton getroffen haben, denn so langsam verkehren sich die Rollen. War in den Affärenmonaten Wulff verdächtig, so sind es jetzt seine Verfolger. Suchen und suchen. Drehen alles dreimal um. Und setzen dem armen Mann dann die Pistole auf die Brust: Zahle 20000 Euro und erspare dir einen Prozess. Oder verlängere dein Trauma auf ungewisse Zeit.

Böse Staatsanwälte. Andererseits: Was hätten sie tun sollen? Bei den Ermittlungen einfach mal schlampig sein? Den sich noch nicht erübrigt habenden Mini-Vorwurf – Bestechlichkeit für ein paar hundert Euro – sogleich zur Anklage bringen, ohne das Angebot einer Einstellung des Verfahrens? Oder ihn wortlos unter den Tisch fallen lassen und dies später, wenn es rausgekommen ist, vor einer empörten Öffentlichkeit rechtfertigen, die meint, es würden ohnehin nur die Kleinen gehängt, während man die Großen ...?

Fast könnten sie einem leidtun, die Staatsanwälte, menschlich leid. Denn es ist das sogenannte Legalitätsprinzip, das sie ins Dilemma führt. Sie dürfen Ermittlungen nicht ausweichen, wenn es Verdachtsmomente gibt.

Nun ist ein Schreiben der Ermittler bekannt geworden, in dem erläutert wird, Wulff solle „strafrechtliche Verantwortung“ übernehmen. Ja, das soll er wohl, denn die geforderte Geldauflage muss laut Gesetz geeignet sein, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen. Mit dem Nachweis von Schuld oder gar einem Geständnis hat die Zahlung dennoch wenig zu tun.

Tausende Beschuldigte jährlich gehen diesen Weg, auch Prominente. Ein – nur in dieser Beziehung – leuchtendes Vorbild ist Karl-Theodor zu Guttenberg, der exakt die von Wulff verlangte Summe aufbringen musste, um nach seiner abgeschriebenen Doktorarbeit einen Prozess wegen Urheberrechtsverstößen abzuwenden. Guttenberg ist heute eine Witzfigur. Aber ein Krimineller oder jemand, dem dieser Vorwurf anhaftet, ist er nicht. Also mag Wulff bitte zahlen, denn wenn es zum Prozess kommt, werden die Medien voll davon sein. Und am Ende tut Wulff uns noch wirklich leid. Und wir uns auch.

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