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Ein Zwischenruf zu Europa: Die Komödienbesetzung der Europäischen Gemeinschaft

Die EU stolpert ohne einen Plan in eine Haftungs- und Transfergemeinschaft. Ursula Weidenfeld über Angela Merkel, Nicolas Sarkozy, den Euro und Louis de Funès.

Libyen, Atomkraft, der Euro. Der Wahlkampf, der Wutbürger, Japan, Portugal. Das ist eine Agenda, die selbst ausgeruhte Spitzenpolitiker zur Verzweiflung bringen könnte. Wenn aber solche Problemlagen auf überforderte Spitzenpolitiker treffen, passiert Bedenkliches. Eine Bundesregierung, die zu jedem Thema mehrere Sprachen spricht, ist in normalen Zeiten zwar auch ärgerlich. Aber sie richtet nicht notwendigerweise Schaden an. Doch wenn sie das in Zeiten höchster Beanspruchung tut, stellt sie eine aus dem Chaos geborene neue politische Realität her. Sie verändert ungeplant und wie zufällig die Koordinaten für die Zukunft des Landes und Europas.

Die Ergebnisse sind schlecht. Tragisch sind sie in Bezug auf die Gemeinschaftswährung Euro. Die EU stolpert ohne einen Plan in eine Haftungs- und Transfergemeinschaft. Niemand kann sie davon abhalten. Denn die deutsche Kanzlerin, die das in normalen Zeiten vielleicht vermocht hätte, hat die Atomkraft am Hals, die Wahlen und einen Koalitionspartner, der sich und sie blamiert, wo er nur kann.

Jahrelang haben deutsche Kanzler und Außenminister antichambriert, damit sie in den Weltsicherheitsrat dürfen. Und was machen sie, kaum haben sie es geschafft? Sie stimmen gegen ihre Bündnispartner – zusammen mit Russland und China. Man kann tatsächlich mit guten Argumenten gegen eine Intervention in Libyen sein. Aber sind Mangel an Bedenkzeit und fehlende Sorgfalt gute Argumente?

Noch schlimmer ist, dass die anderen keineswegs besser dran sind, eher schlechter. Die Europäische Gemeinschaft macht sich daran, ihre schwierigsten Probleme zu lösen – mit einer Personalausstattung, die jeder Louis de Funès-Komödie Ehre machen würde. Italien ist ein Totalausfall, Frankreichs Nicolas Sarkozy kapert Europa mit seiner eigenen Agenda. Früher war es immer ein Trost, dass in politisch schwachen Zeiten die Beneluxländer für Solidität und gut gemachte kleine Lösungen standen. Heute ist Belgien ohne Regierung und über die von Holland will man gar nicht erst reden. Die Perspektiven des Euro, eine funktionsfähige Insolvenzordnung für marode Euro-Länder? Eine belastbare gemeinsame Haltung zu Nordafrika? Während sich die Kernschmelze Europas vollzieht, dürfen alle warten, bis die Wahlen gewählt sind und die deutsche Regierung sich vielleicht wieder gefangen hat. Wenn sie sich nicht fängt, dauert es noch länger.

Die in der Zwischenzeit geschaffenen Realitäten sind dann nicht mehr aus der Welt zu schaffen.

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