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Meinung: Elf Funktionäre müsst ihr sein

Der DFB und sein Präsident verstehen sich als Politiker. Das ist ein Missverständnis

Der Fußball kann nicht die Probleme der Welt lösen. Aber er spielt gegen Vorurteile an, er grenzt ein, nicht aus. Nur weil einer aus der Türkei kommt, ist er nicht ein zweitbester Spieler oder ein zweitbester Deutscher. Gegen Diskriminierungen, Gewalt und Korruption muss es null Toleranz geben. Und die Nationalmannschaft gehört den Fans.

So redet Theo Zwanziger an guten Tagen. Dieser Freitag war ein guter Tag für den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) – endlich einmal wieder. Nach einem Jahr voller Turbulenzen am Spielfeldrand und persönlicher Fehler ist der 65 Jahre alte Rechtsanwalt für drei weitere Jahre an die Spitze des deutschen Spitzenspiels gewählt worden – ohne Gegenkandidaten, ohne Gegenstimme, das Übliche. Der DFB scheint sich langsam zu beruhigen. Das zumindest ist die gute Nachricht für die Fußballfans, die das nervige Zuständigkeitsgezerre um die Auswahlteams ebenso leid sind wie die ausufernde Schlammschlacht unter Schiedsrichtern. Bundestrainer Joachim Löw – dessen von Zwanziger voreilig verkündete Vertragsverlängerung platzte und nur aufgrund der Vernunft Löws doch noch zustande kam – darf nun ohne Störfeuer aus dem eigenen Verband arbeiten. Zumindest bis zur Europameisterschaft in zwei Jahren. Im Falle einer zu frühen Niederlage dürfte dann wieder die Zeit der Funktionäre anbrechen.

Fußballfunktionäre: Sie halten sich für die Politiker des Sports, sie organisieren das Spiel in 26 000 Vereinen, sie jubeln auf den Ehrentribünen und knüpfen den Kontakt zu den richtigen Politikern, die tatsächlich vom Volk gewählt worden sind. Sie halten sich für jene, die dem kleinen und dem großen Fußball den Rücken freihalten. Das Dumme für sie ist nur: Je erfolgreicher die Nationalmannschaft spielt, umso unwichtiger werden sie. Das merkt die Öffentlichkeit, das merkt die richtige Politik – und lässt auf dem Weg zum verschwitzten Mesut Özil in der Kabine einen DFB-Präsidenten links liegen. Die Funktionäre haben sich jahrzehntelang durch das Ebenengestrüpp des Ehrenamts hochgearbeitet und sich gegenseitig mit Ehrennadeln behängt – als kuriosen Höhepunkt des Verbandstages in Essen zeichnete Zwanziger gerade sogar den Chef des Welt-Fußballs Joseph Blatter aus, obwohl dessen Verband gerade durch eine Korruptionsaffäre watet.

Fußballfunktionäre: Gerne umarmen sie sich und andere. Wenn aber die sich stets gegenseitig bestätigenden Männer mal am Rand stehen, sind sie schnell beleidigt.

Dabei hat der DFB neben seiner offensichtlichen Macht noch eine faktische, die er zu selten ausspielt: 6,7 Millionen Mitglieder kicken, arbeiten und feiern in den deutschen Fußballvereinen. Oft genug sind Jugendtrainer bessere Integrationsarbeiter als Schullehrer oder Eltern. Genau deshalb ist Fußball nicht nur Volkes Lieblingssport, sondern auch ein Spiegel, den sich die Gesellschaft vorhalten kann: Sie kann sich dort sehen im glitzernden Taumel eines gewonnenen Titels oder im dunklen Tunnel eines depressiven Nationaltorwarts, der sich verzweifelt vor einen Zug wirft.

Der Fußball kann die Probleme der Welt nicht lösen. Die Fußballfunktionäre auch nicht. Das einzusehen, fällt Theo Zwanziger immer noch zu schwer.

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