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Noch immer ist nicht zu 100 Prozent sicher, ob eine Infektion mit Corona zu dauerhafter Immunität führt.

© picture alliance / Wolfgang Kumm / dpa

Entscheidung des Ethikrats: Ein kluges Nein zu Immunitätsnachweisen

Der Ethikrat erteilt Immunitätsbescheinigungen für Menschen, die bereits mit Corona infiziert waren, eine Absage. Das ist klug. Ein Kommentar.

Die Vorsicht hat gesiegt. Der Ethikrat rät von Immunitätsnachweisen vorerst ab. Damit zeigt er Besonnenheit und unterstreicht, dass die klugen Leitlinien im Umgang mit der Pandemie – Abwägung und Verhältnismäßigkeit – keine leeren Floskeln sind. Sie sind die richtige Reaktion auf die Realität.

Eine Realität, in der ein Virus mit unvorhersehbarer Wucht alle Gewissheiten zunichtegemacht hat. Richtig und falsch sind relativ, die Koordinaten verschieben sich ständig. Auch der Ethikrat ist, wie viele Teile der Gesellschaft, gespalten. „Wir haben wirklich gerungen“, sagt die Vorsitzende. Heraus kam trotz unterschiedlicher Auffassungen große Vernunft.

Grünes Licht für einen Nachweis, der mehr Schaden bringen könnte als Nutzen, wollte der Ethikrat nicht geben. Er hat stattdessen mit Blick auf Antikörpertests mehr Aufklärung gefordert. Auf die besonderen Bedürfnisse in Alten- und Pflegeheimen hingewiesen. Das Signal: Es gibt einen Handlungsspielraum jenseits von zusätzlicher Bürokratie. Ein kluger Ansatz.

Ein zu komplexer Sachstand

Und geradezu wohltuend sind die Worte des Ethikrates in einer polarisierten Welt, in der scheinbar Allwissende Totschlagargumente in 280 Twitterzeichen austauschen. „Der Sachstand ist komplexer, als wir uns das vorgestellt haben“, räumt das Gremium ein. Und hebt den „tiefen ethischen Konflikt“ hervor, den die Krise mit sich bringt.

Dieser Konflikt zwischen dem Schutz des Lebens und der Einschränkung von Grundrechten bleibt bestehen. Im Großen und im Kleinen wird immer wieder neu abgewogen werden müssen. Denn selbst ein Immunitätsausweis würde niemanden von der Pflicht entbinden, Maske zu tragen oder Abstand zu halten.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat mit der Entscheidung, den Ethikrat eine politische Argumentationsgrundlage ausarbeiten zu lassen, Klugheit bewiesen. Denn die Experten schaffen, wie sie betonen, keine Gleise, über die Politik „nur noch als Lokomotive“ fahren muss. Sie stellen Weichen. Und Weichen kann man umstellen, wenn der eingeschlagene Pfad sich als Irrweg erweist. Der Ethikrat ist der Realität mit diesem Ergebnis gerecht geworden.

Fatima Abbas

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