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Martenstein

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Erziehung: Die 68er haben sich geirrt

Ein paar Tabus möchten die meisten von uns eben doch behalten, zum Beispiel das Tabu Kindesmissbrauch. Verbieten ist verboten, so hieß eine beliebte Parole, und genau das war der Irrtum der 68er.

Von der FDP und von der katholischen Kirche stammen die beiden seltsamsten Meinungsäußerungen dieses Winters. Aus der FDP kam der Vorwurf, Kritik am Verhalten eines schwulen Außenministers sei schwulenfeindlich, so, wie Kritik an Angela Merkel ja bekanntlich frauenfeindlich und Kritik am Finanzminister behindertenfeindlich ist. Bischof Mixa aber sagte, die sexfixierten 68er seien mitverantwortlich für die Missbrauchsfälle in seiner Kirche, so, als habe es vor 1968 dieses Problem nicht gegeben.

Vergewaltigung in der Ehe ist heute strafbar, das hat viel mit den frauenbewegten 68erinnen zu tun. Nach 1968 hat sich in den meisten Gesellschaften des Westens ein neuer moralischer Grundkonsens herausgebildet, er lautet ungefähr so: Menschen dürfen miteinander tun, was immer sie wollen, solange sie sich frei dafür entscheiden und einander nicht schaden. Die Kirche hat bestimmte Handlungen verboten, zum Beispiel homosexuelle. Der neuen Moral dagegen ist egal, was geschieht, es kommt im Gegenteil darauf an, in welchem Kontext es geschieht. Die Sexualität ist frei, dieser Satz bedeutet auch: Sie braucht freie Menschen und eine freie Entscheidung. Der Ehemann, der vergewaltigt, der oder die Vorgesetzte, die ihre Macht ausnützt, oder der Lehrer, der sich am Schüler vergreift – das sind drei Gesichter von unfreier Sexualität.

Die neue Moral ist menschenfreundlicher als die alte. Und doch haben die 68er sich geirrt, was ihr Verhältnis zu den Kindern betrifft. Damit meine ich nicht die winzigen Randgruppen, die eine Legalisierung des Päderastentums gefordert haben und fordern. Viel verbreiteter war und ist die Idee, dass Kinder im Grunde kleine Erwachsene sind, denn wir alle seien ja gleich, Mann, Frau, Kind, Erwachsener, egal. Der Mensch ist gut von Natur, man muss ihn sich lediglich entfalten lassen. Man darf ihm nichts verbieten, man darf ihm keine Grenzen setzen und keine Werte vorgeben. Diese Ideologie hatte den praktischen Vorteil, dass sie bequem umzusetzen war, die Mühen der Erziehung konnte man sich sparen, und sich dabei auch noch gut fühlen. Aber Kinder sind keine Erwachsenen. Sie brauchen jemanden, der sie schützt, manchmal auch vor sich selber, sie brauchen Wegweiser und eine Hand, an der sie sich festhalten dürfen.

Der freie Mensch, der wir als Erwachsener sein wollen, muss die Freiheit gelernt haben, er muss auch Rücksicht auf die Freiheit anderer und ein Gefühl für Verantwortung gelernt haben. Ein paar Tabus möchten die meisten von uns eben doch behalten, zum Beispiel das Tabu Kindesmissbrauch. Verbieten ist verboten, so hieß eine beliebte Parole, und genau das war der Irrtum der 68er. Vielleicht sollte man, trotz allem, sagen, dass es schlimmere Irrtümer gibt.

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