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Meinung: „Es gibt in dieser Stadt Rassismus“

Er vermisst Fingerspitzengefühl, auf allen Seiten. Dass sich Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und Generalbundesanwalt Kay Nehm öffentlich einen Kompetenzstreit um den bei einem Verbrechen schwer verletzten Deutsch-Afrikaner liefern, kann Jann Jakobs nicht verstehen.

Er vermisst Fingerspitzengefühl, auf allen Seiten. Dass sich Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und Generalbundesanwalt Kay Nehm öffentlich einen Kompetenzstreit um den bei einem Verbrechen schwer verletzten Deutsch-Afrikaner liefern, kann Jann Jakobs nicht verstehen. „Man vergisst offenbar, dass das Opfer noch im künstlichen Koma im Klinikum liegt“.

Der 52-Jährige ist Oberbürgermeister Potsdams, der Stadt, die seit dem furchtbaren Verbrechen am Ostersonntag im internationalen Rampenlicht steht. Seitdem hat Jakobs fast pausenlos Interviews gegeben. Es fiel auf, mit welcher Umsicht der SPD-Kommunalpolitiker Rede und Antwort stand, ohne die so verbreitete Neigung, das Verbrechen und mögliche rassistische Hintergründe zu verharmlosen. Und daran hat sich auch jetzt nichts geändert, obgleich die Umstände des Verbrechens mittlerweile Fragen aufwerfen. Selbst wenn das Opfer die Täter provoziert haben sollte, dürfe so eine Auseinandersetzung nie auf der Intensivstation enden – so Jakobs. „Es gibt in dieser Stadt Rassismus, mit dem wir uns auseinander setzen müssen.“

Seit November 2002 regiert der gebürtige Ostfriese Potsdam. In einer Stichwahl mit hauchdünnem Vorsprung gegenüber einen PDS-Kandidaten war er damals zum Nachfolger von Matthias Platzeck gewählt worden, nachdem dieser als Ministerpräsident Manfred Stolpe beerbte. Selbst manche in der eigenen Partei hielten den Aufbauhelfer aus dem Westen, erst Recht gemessen an seinem charismatischen Vorgänger, für blass. Doch inzwischen hat Jakobs Stehvermögen bewiesen. Kritiker bescheinigen ihm sogar, dass er die Verwaltung besser im Griff hat als Platzeck, der eher nach Außen glänzte. Kein Wunder, Jakobs kennt die Verwaltung, die sozialen Probleme einer Kommune von der Pike auf. Der verheiratete Vater von vier Kindern hat als Erzieher in Hannover gearbeitet und Sozialpädagogik in Hildesheim, dann Soziologie und Politikwissenschaft an der FU Berlin studiert. Von 1979 bis 1988 arbeitete er als Sozialarbeiter in Berlin-Spandau. 1993 wechselte er als Jugendamtsleiter ins Potsdamer Rathaus. Unangefochten ist Jakobs, der mit seiner Familie in der Russischen Kolonie Alexandrowka lebt, nicht. So wird er sich, wenn er wieder Zeit für die Alltagsprobleme hat, darum kümmern müssen, dass das neue Potsdamer Spaßbad keine Investitionsruine wird. In einer Kommune, das weiß Jakobs, lauern immer Überraschungen.

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