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EU-Gipfel II: Ein magisches Dreieck

Die drei Prioritäten der Energiepolitik in der Abschlusserklärung des EU-Gipfels riechen nach einem faulen Kompromiss. Brüssel träumt vom großen Binnenmarkt für Energie – das bleibt ein Traum.

Drei Worte haben die Staats- und Regierungschefs jetzt eingerammt wie Pflöcke: Sicherheit, Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit. Das sollen die Prioritäten der Energiepolitik in Europa sein, heißt es in der Abschlusserklärung des EU-Gipfels.

Drei Prioritäten? Nicht nur eine? Das riecht nach faulem Kompromiss. Es ist zwar ureigenste Aufgabe der Politik, scheinbar unvereinbare Ziele miteinander zu verknüpfen. So ergeben sich Handlungsfelder. In diesem Fall aber widersprechen sich die Ziele zu stark. Das Feld, das sich auftut, ist so groß, dass jedes Unternehmen, jede Regionalregierung, jede Regulierungsbehörde weiter ihre ganz eigene Strategie verfolgen kann.

Frankreich kann nun seine Atomkraft quasi EU-amtlich mit dem Ziel der Bezahlbarkeit begründen. Oder mit dem der Nachhaltigkeit, da die Akw ja kein CO2 ausstoßen. Da können noch so viele Demonstranten Gorleben belagern. BASF und Eon bauen mit Gazprom die Ostsee-Pipeline, natürlich ganz im Sinne des Ziels der (Versorgungs-)sicherheit. Sollen Balten und Polen doch meckern. Insofern haben sich die EU-Staatslenker nur davor gedrückt, sich auf eine Priorität zu einigen: auf die Nachhaltigkeit zum Beispiel. Hinter dem neuen magischen Energiedreieck lassen sich alle Systemkonflikte verstecken.

Das ist für alle Regierungen bequemer. Denn während Personen, Waren und Dienstleitungen sich wie selbstverständlich frei innerhalb der meisten der 27 Mitgliedsstaaten bewegen können, gilt das für Energie nicht: Für Gas gibt es zu wenige Grenzkuppelstellen. Und nur rund fünf bis zehn Prozent der Strommenge, die in der EU erzeugt wird, wird über nationale Grenzen transportiert. Daran wird sich so schnell nichts ändern.

Die Staats- und Regierungschefs haben auch den immer ambitionierteren Energiekommissar Günther Oettinger in die Schranken gewiesen. Der träumt vom EU-Energiebinnenmarkt, in dem Windräder aus der Nordsee den Strom liefern, wenn in Spanien, das mit Solarmodulen zugepflastert sein soll, die Nacht hereinbricht. Er will im großen Stil, industriell, Energie dort erzeugen lassen, wo es geographisch günstig scheint und den Strom dann mit einem neuen Supernetz dahin transportieren, wo er gebraucht wird. 200 Milliarden Euro soll das kosten, rechnete er den Regierungschefs jetzt vor. Die Staaten sollen sich daran beteiligen, zumindest bürgen für Investitionen in den Netzausbau.

Muss das wirklich sein? Hierzulande haben sich Dank der Förderung der erneuerbaren Energien in den vergangenen zehn Jahren Ansätze einer kleinteiligen, dezentralen Versorgungsstruktur herausgebildet. Nicht nur in Deutschland versorgen sich erste Gemeinden heute schon komplett selbst – sicher, nachhaltig und bezahlbar – mit Ökostrom. Das geht aber nur, weil Kommunen selbst entscheiden, wie hoch die Windräder sein dürfen, die am Dorfrand aufgestellt werden. Würde das jemand in Brüssel bestimmen, würde es nicht klappen. Insofern ist es nicht so schlimm, dass Europas Energiepolitik auf der Stelle tritt.

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