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EU-Ratsvorsitz: Prager Burgfrieden

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hat Europa Glanz verliehen. Vom neuen EU-Vorsitz ist das kaum zu erwarten. Das hat verschiedene Gründe. Grundsätzlich gilt für den tschechischen Regierungschef Mirek Topolanek: Augen zu und durch.

Für Nicolas Sarkozy ist es kein leichter Abschied. Für den scheidenden EU-Präsidenten gilt es keine europäischen Krisentreffen mehr zu organisieren, und flammende Reden vor dem Europaparlament müssen auch nicht mehr gehalten werden. L’Europe, c’était lui: Sarkozy hat Europa Glanz verliehen, und umgekehrt hat das eifrige Krisenmanagement dem Staatschef im vergangenen Halbjahr im eigenen Land zu neuer Popularität verholfen. In der Silvesternacht fällt für den französischen EU-Vorsitz endgültig der Vorhang. Jetzt übernehmen die Tschechen das Steuer in der EU. Sie verstehen sich als nüchterne Sachwalter Europas.

Natürlich war nicht alles Gold, was glänzte in der französischen Präsidentschaft. Manchmal holperte es bei der täglichen Brüsseler Routinearbeit. Als Sarkozy versuchte, die Finanzkrise zunächst in einem Alleingang der „großen“ EU-Staaten zu bewältigen, machte er böses Blut. Und nicht zuletzt setzte er angesichts der Wirtschaftskrise das deutsch-französische Verhältnis einer selten großen Belastungsprobe aus.

Aber gemessen am Ergebnis bleibt Sarkozys EU-Vorsitz ein Erfolg. Er hat bewiesen, dass die Europäische Union sehr wohl handlungsfähig ist, wenn es darauf ankommt. Der Waffenstillstand im Südkaukasus, das Rettungspaket für die angeschlagenen Banken, Europas Konjunkturpaket im Kampf gegen die Rezession – lauter Belege dafür, dass es ein starkes Europa auch wirklich jenseits der Sonntagsreden gibt.

Ob es dem tschechischen EU-Vorsitz gelingt, europäische Lösungen mit ähnlichem Nachdruck zu verfolgen wie Sarkozy, kann zumindest bezweifelt werden. Wie jedes Land, das für sechs Monate die Präsidentschaft übernimmt, setzt auch Tschechien eigene Prioritäten, etwa in der Energieversorgung der EU. Die tatsächliche Bewährungsprobe besteht für Regierungschef Mirek Topolanek aber woanders: Er muss die unterschiedlichen Volkswirtschaften angesichts der Krise auch weiter auf enge Absprachen verpflichten, so wie dies Sarkozy gelang.

Dass der bevorstehende EU-Vorsitz heikel werden könnte, liegt weniger an Topolaneks europaskeptischem Gegenspieler Vaclav Klaus, der von der Prager Burg aus die Kreise der Regierung stört. Die machtpolitischen Möglichkeiten des tschechischen Präsidenten halten sich in Grenzen. Die Probleme beginnen für Topolanek noch viel näher an der eigenen Haustür. Der Ministerpräsident will im kommenden Halbjahr den Lissabon-Vertrag durchs Parlament bringen. Wenn ihm das gelingen soll, muss er auch den Bedenken der eigenen Bevölkerung Rechnung tragen, die die europäische Vertragsreform keineswegs mit Euphorie betrachtet. Beim EU-Beitritt vor über vier Jahren waren die Tschechen noch begeistert dabei. Den Lissabon-Vertrag scheinen sie hingegen so ähnlich zu bewerten wie ihre eigene Regierung den kommenden EU-Vorsitz: Augen zu und durch. Europäische Höhenflüge à la Sarkozy sind da kaum zu erwarten.

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