zum Hauptinhalt
Kopfloses Europa. Deutschland kann die EU nicht führen, findet Alexander Gauland.

© dpa

Eurokrise: Deutschland kann die EU nicht führen

Selten war die Stimmung zwischen den Europäern so gereizt wie in den letzten Wochen. Der Euro hat mehr Unfrieden als Glücksgefühl gestiftet. Warum Deutschland nicht in der Lage ist, die EU zu führen.

Wie heißt es so schön eindrücklich und falsch: Scheitert der Euro, so scheitert Europa, scheitert Europa, so könnten die Kriegsfurien, die diesen Kontinent im letzten Jahrhundert zweimal verheert haben, zurückkehren. Deshalb ist der Euro eine Frage von Krieg und Frieden. Betrachtet man nur die letzte Woche, ist trotz mühseliger Stabilisierung am Ende eher das Gegenteil richtig. Nicht, dass es wirklich um Krieg und Frieden geht, dazu ist Europa aus vielen – demografischen, wirtschaftlichen und finanziellen Gründen nicht mehr in der Lage. Schon 1956 setzte eine Spekulation gegen das Pfund und die amerikanische Weigerung, es zu stützen, der britisch-französischen Suez-Intervention ein Ende. Und die Macht einzelner europäischer Staaten ist heute eher noch geringer als die Frankreichs und Großbritanniens damals.

Allerdings war die Stimmung zwischen den Europäern selten so gereizt wie in den letzten Wochen. Man muss kein Freund von Berlusconis Bunga-Bunga-Politik sein, um die Verletzung italienischen Stolzes zu ermessen, die das süffisante Lächeln von Sarkozy und Merkel auf ihrer letzten gemeinsamen Pressekonferenz ausgelöst hat. Und wenn ein gereizter Sarkozy seinen Mitsieger in Libyen anfährt, er habe eine gute Gelegenheit verpasst, endlich einmal die Klappe zu halten, dürfte das die eh schon geringe britische Begeisterung für irgendwelche Brüsseler Eingriffe noch weiter abkühlen. Schon reden viele Torys von einem Referendum, um endlich den Club zu verlassen, dem die meisten nie angehören wollten. Und während die Griechen bereits seit einiger Zeit von IWF und Eurokraten regiert werden, versucht Berlusconi schnell noch die Hausaufgaben nachzuholen, um ein ähnliches Schicksal zu vermeiden. Zwar lösen solche gegenseitigen Verstimmungen heute keine Kriege mehr aus, aber eben doch eine tief greifende Entfremdung, die nicht ohne Rückwirkungen auf die Psyche des Volkes bleibt. In Athen haben manche schon lange die Nazikeule herausgeholt und auch der verletzte Stolz der Italiener wird sich Kanäle suchen, die uns Deutschen nicht lieb sein können. Man schickt auch einen Berlusconi nicht ungestraft wie einen Schulbuben nach Hause mit der Auflage, innerhalb von zwei Tagen das nachzuliefern, was den Märkten fehlt.

Noch ist es ein deutsch-französisches Duo, das süffisant lächelt und Schulnoten verteilt, doch wehe uns, wenn der französische Partner ebenfalls strauchelt und die Deutschen allein im Führerhaus zurückbleiben. Man mag es für richtig oder falsch halten, Deutschland ist infolge seiner Vergangenheit auch 65 Jahre nach Kriegsende nicht in der Lage Europa zu führen. Zu viele nationale Traumata können sich schnell zu neuem Ungemach und tiefen Spaltungen verdichten. Nun sage bitte niemand, es müssten eben die europäischen Verträge so geändert werden, dass die Mahnungen aus Brüssel und nicht aus Berlin kommen. Zum einen dürften sich nach diesem Krisenmanagement Vertragsänderungen, noch dazu mit Volksabstimmungen auf lange Zeit erledigt haben. Zum anderen würden südländische Sünder hinter Brüsseler Nötigungen immer die Berliner Antreiber vermuten und Zorn wie Protest würden sich gegen diese und nicht gegen den gesichtslosen EU-Apparat richten.

Der Euro hat mehr Unfrieden als Glücksgefühl gestiftet und ein institutioneller Ausweg ist nicht in Sicht, weil die unterschiedlichen Wachstumspfade und -geschwindigkeiten immer für neue Disparitäten sorgen werden. Auch wenn es schwerfällt: Auf Dauer wird man die gemeinsame Währung nur in einer „Koalition der Willigen“ zusammenhalten und unterschiedliche Entwicklungskulturen nicht unter immer größere Rettungsschirme zwingen können. Zwangsbeglückung hat nie funktioniert. Manchmal ist es besser, einen Schritt zurückzugehen statt das Ganze zu gefährden. Mit dem Europa der zwei Geschwindigkeiten waren Wolfgang Schäuble und der CDU-Politiker Karl Lamers da schon einmal weiter.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false