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Die EU-Minister müssen zur Rettung der Krisenländer und der Währung mehr Geld auftreiben. Das soll mit Hilfe eines Hebels gelingen. Diese Lösung ist aber umstritten.

© dpa

Europa: Rettung ohne Ende

Das politische Tauziehen um die richtige Lösung in der Schuldenkrise in den vergangenen Tagen hat vor allem eines gezeigt: Die Währung ist stabil - die politische Gemeinschaft ist es nicht.

Die Rettung des Euro gleicht einer Autofahrt von A nach B. Das legt jedenfalls der Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble nahe, wenn er den Euro-Rettungsfonds EFSF erläutert. „Es geht um nichts anderes als um die Frage, wie weit kommen wir mit dem Sprit, den wir haben“, sagt er. Das Bild ist zwar grundfalsch, denn es sieht nicht so aus, als ob eine Straße in Sicht wäre. Und es reißen ziemlich viele am Lenkrad herum. Aber es sagt dennoch alles. Nur geht es eigentlich um die Frage: Was passiert, wenn der Tank leer ist?

In den drei Jahren zwischen Lehman- Pleite und Euro-Chaos sind die Rettungsbeträge immer größer geworden, die Sorgen aber nicht geschrumpft. Jedes Limit, das die Politik setzt, wird vom Markt getestet. Aus den 440 Milliarden Euro, die dem EFSF in der Not zur Verfügung stehen, soll nun mithilfe eines sogenannten Hebels ein Vielfaches dieses Betrags werden. So will es die Bundesregierung, von einer Billion Euro und mehr ist die Rede. Aber niemand weiß, ob die Akteure an den Finanzmärkten nicht auch diese Summe schon bald für zu klein halten. Und die Bundesregierung ist festgelegt: Das Limit gilt. Nachtanken geht nicht.

Eigentlich braucht es einen Mechanismus, der unbegrenzte Mittel in Aussicht stellt. Die Europäer müssen glaubhaft signalisieren: Egal was passiert, wir stehen füreinander ein. Auch dieses richtige Argument bemüht Nicolas Sarkozy, aber sein Vorschlag führt trotzdem in die Irre. Geht es nach dem französischen Präsidenten, soll der EFSF eine Banklizenz erhalten und sich unbegrenzt Geld bei der Europäischen Zentralbank leihen können. Deren Unabhängigkeit wäre endgültig dahin, und ihre zentrale Aufgabe könnte sie nicht mehr erfüllen: Wie soll sie stabile Preise garantieren, während für den EFSF die Notenpresse läuft?

Die wundersame Geldvermehrung führt geradewegs in die Inflation, denn sie setzt der Überschuldung nichts als neue Schulden entgegen. Der Vorschlag mag wie ein neues Instrument aussehen, aber er entspringt dem Denken, das die Krise erst verursacht hat. Es ist eine vertrackte Lage, in der auch kulturelle Unterschiede zutage treten. Kanzlerin Angela Merkel vertraut auf eine Versicherung, erdacht von einem Allianz-Mann, während Nicolas Sarkozy, quasi der Gegenentwurf zu ihrer „schwäbischen Hausfrau“, auf das Prinzip Investmentbank setzt.

Wie ein tragfähiger Kompromiss zwischen den beiden Polen aussehen kann, lässt sich noch nicht abschätzen. Im Idealfall funktioniert der EFSF ohne erklärtes Limit, aber mit begrenztem Risiko und klarer demokratischer Kontrolle. Nur löst auch eine perfekte Konstruktion des einen Instruments nicht das Grundproblem der mangelnden politischen Geschlossenheit der EU insgesamt. Von einer desaströsen Außenwirkung spricht Euro-Vorkämpfer Jean-Claude Juncker. Das ist noch freundlich formuliert. Am kochend heißen Motor wird gewerkelt, Gipfel und Regierungserklärungen müssen im letzten Moment vertagt werden.

Da gleicht es einem Wunder, dass der Euro-Kurs nicht ins Bodenlose fällt. Offensichtlich ist die Währung der Gemeinschaft besser als deren politische Führung. Wenn die EU ihre Schuldenkrise nicht in den Griff bekommt, wird der G-20-Gipfel in Cannes übernächste Woche die Trümmer zusammenkehren müssen. Er steht unter französischer Führung, ebenso wie der Internationale Währungsfonds, der dann gefragt sein wird. Kommt es so, kann es aus internationaler Sicht nur eine Schuldige geben: „Madame Non“ aus Deutschland.

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