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Meinung: Europäische Parteienlandschaft: Rechtsdraußen

Auf einmal ist der Spuk vorbei. Die extreme Rechte verliert Wahlen - europaweit.

Auf einmal ist der Spuk vorbei. Die extreme Rechte verliert Wahlen - europaweit. Vor wenigen Jahren noch wirkte ihr Aufstieg unaufhaltsam: Le Pen in Frankreich, Jörg Haider in Österreich, der Vlaams Blok in Belgien, Lega Nord und Alleanza Nazionale in Italien - in Deutschland schienen sich die Rechten nach dem Erfolg der DVU in Sachsen-Anhalt 1998 (12,9 Prozent) als feste Größe in den Parlamenten zu etablieren. Die Rechtsextremen saßen da bereits in den Landtagen von Stuttgart über Bremen-Bremerhaven bis Potsdam.

2001 bietet sich ein anderes Bild. Bei den Kommunalwahlen in Frankreich verlor Le Pens Front National deutlich an Terrain; die Partei ist gespalten, da verbraucht sich das Charisma des Vormannes rasch - wie bei den deutschen "Republikanern" nach Schönhubers Austritt. Besonders erfolgreich jagten die Bürgerlichen den Radikalen dort Stimmen ab, wo sie einen ihrer Rechtsaußen antreten ließen wie Ex-Verteidigungsminister Charles Millon in Lyon.

Haiders FPÖ hat seit ihrem Eintritt in die Bundesregierung vor einem Jahr eine Wahl nach der anderen verloren, das Debakel in Wien am Sonntag war auch seine ganz persönliche Niederlage: Die FPÖ hatte ganz auf ihr Zugpferd gesetzt, da er kein Minister ist, die Entzauberung durchs Mitregieren also weniger verkörpert. In Stuttgart flogen zeitgleich die "Reps" aus dem Landtag.

Offenbar funktioniert die Doppelstrategie gegen Rechtsextreme: einbinden und stigmatisieren. Einbinden: Es wirkt zwar mitunter etwas unappetitlich, wenn die Konservativen Parolen ausgeben, die sich nur noch marginal von denen der Extremisten unterscheiden, oder mit Unterschriftenkampagnen Stimmung machen, um das Protestpotenzial an sich zu binden. Aber ist das nicht besser, als wenn diese Bürger den Rattenfängern nachlaufen? Und stigmatisieren: jene Kräfte konsequent ausgrenzen, die sich der Integration entziehen und außerhalb des Rechtssystems stellen.

Auf die Selbstreinigungskräfte des demokratischen Systems ist augenscheinlich Verlass. Leere Parolen reichen nicht, um im Parlament zu bleiben: Wie den "Reps" jetzt in Stuttgart nach zwei Legislaturperioden war es den Braunen schon früher gegangen: Die NPD zog Ende der 60er Jahre in sieben Landtage ein, konnte sich aber in keinem behaupten. Haider in Österreich ging geschickter vor, und sein Aufstieg wurde durch die immerwährende Große Koalition begünstigt; am Ende jedoch hat die Einbindung in die Verantwortung die FPÖ domestiziert.

Alles in allem also ein Grund zu mehr Gelassenheit im Umgang mit der Gefahr von Rechts? Und nur eine Frage der Zeit, dass die DVU auch die Mandate in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Bremen wieder verliert? Ja, aber das ist keine Automatik. Die richtige Mischung aus Einbinden und Stigmatisieren ist kein fester Wert. Sie hängt von regionalen Umständen und politischen Konjunkturen ab. In Hessen verfing vor zwei Jahren Kochs Unterschriftenkampagne gegen den Doppelpass. In Rheinland-Pfalz verlor jetzt CDU-Mann Böhr - trotz Nationalstolz-Kampagne. In Baden-Württemberg hingegen gewann Teufel, der deutliche Distanz dazu gehalten hatte.

Auch Stigmatisierung verfängt nicht überall gleichermaßen. In Deutschland ist das Etikett Neonazi wirksam. Italien hat ein lockereres Verhältnis zur faschistischen Vergangenheit. Die Wahl am 13. Mai wird Berlusconi gewinnen - obwohl der offen fremdenfeindliche bis rassistische Umberto Bossi seinem Wahlbündnis angehört und auch die ex-faschistische Aleanza Nazionale, die sich unter Gianfranco Fini gemäßigt gibt, aber in ihren Reihen schlimme Finger duldet.

Dann werden Aufregung und Empörung wieder groß sein und sich im Ruf nach harten Reaktionen entladen. Einbinden - in der Gewissheit, dass die Demokratie das aushält - fällt in solchen Momenten schwer. Na ja, wenigstens EU-Sanktionen gelten nach den Erfahrungen mit Österreich nicht mehr als probates Mittel. Ein Fortschritt, immerhin.

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