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1. Mai: Fahrlässige Panikmache

Wer vor dem 1. Mai Öl ins Feuer gießt, macht sich an einer möglichen Eskalation mitschuldig. Das müsste auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei wissen.

Berlin rüstet zum 1. Mai, wie jedes Jahr seit 1987. Die Autonomen beginnen wieder mit dem Zündeln, mobilisieren zum revolutionären Tag der Arbeit. Die NPD will nach einigen Jahren Pause wieder in Berlin aufmarschieren, und sie weiß genau, dass sie damit eine ganze Stadt provoziert. Bereits 46 Demonstrationen rund um den 1. Mai mittlerweile in Berlin angemeldet, fast täglich werden es mehr. Einmal mehr wird an diesem Tag in der Hauptsstadt politischer und polizeilicher Ausnahmezustand herrschen. Weil die Polizei in diesem Jahr in vielen Bundesländern gebraucht wird, ist es für die Berliner offenbar schwieriger, in anderen Ländern beziehungsweise bei der Bundespolizei Unterstützung anzufordern. Die Situation scheint so angespannt, wie seit vielen Jahren nicht mehr. Jetzt hat sich Konrad Freiberg, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, kräftig Öl ins Feuer gegossen, vor schweren Auseinandersetzungen zwischen Links- und Rechtsextremisten, sowie vor "hunderten Verletzten" und dem "einen oder anderen Toten" am 1. Mai gewarnt. Es gehört zu den eingeübten Ritualen vor der möglichen Schlacht am 1. Mai, dass sich die Gewerkschaft der Polizei zu Wort meldet. Das ist eine gute Gelegenheit, in der Öffentlichkeit auf berechtigte und vermeintliche Ausrüstungsmängel der Polizei hinzuweisen sowie ihre angeblich chronische Unterbesetzung. Aber in diesem Jahr hat sich Konrad Freiberg dabei im Ton völlig vergriffen. Von bürgerkriegsähnlichen Zuständen, wie Freiberg sie herbeiredet, ist die Situation in Berlin trotz drohender gewalttätiger Auseinandersetzungen weit entfernt. Von den politische Verantwortlichen und auch von den Polizeiführern muss man in Wochen wie diesen vor allem eines erwarten: Besonnenheit. Nichts ist gewonnen, wenn Politiker und Einsatzleiter die Stimmung zusätzlich anheizen. Im Gegenteil. Die Autonomen freut es, die Neonazis reiben sich die Hände. Doch der Stadt ist damit nicht geholfen. Seit vielen Jahren setzen der rot-rote Senat und die Berliner Polizei am 1. Mai auf Deeskalation einerseits sowie auf hartes Durchgreifen gegen Gewalttäter anderseits. Das Konzept hat sich im Wesentlichen bewährt, auch wenn es im vergangenen Jahr mehr Gewalttaten und mehr Verletzte gegeben hat als in den Jahren zuvor. Eine realistische Alternative zu einem solchen Einsatzkonzept gibt es nicht. Auch von einem Gewerkschaftsführer kann man deshalb statt schriller Interessenvertretung Zurückhaltung erwarten, auch im Interesse der vielen Tausend Polizisten, die am 1. Mai im Einsatz sein werden. Berlin kann in diesen Tagen schließlich nichts so wenig gebrauchen, wie fahrlässige Panikmache.

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